Brief über die Gründerjahre des Gesangvereins Oschitz 1887
Erinnerung an meine ersten Dirigentenjahre (im Gesangverein zu Oschitz). Als im Herbst 1883 auf vielseitige Anregung des Männergesangsvereins in dem lieben Oschitz, der mit dem Ausscheiden seines früheren Dirigenten Herrn Lehrer Fichtner, schlafen gegangen war wiederaufgerichtet würde, konnte man es nicht ahnen, daß der Verein in so kurzer Zeit sich zu dem lebensfähigen und tatkräftigen emporarbeiten werde, als der er heute dasteht. Es hatte sich damals erfreulicherweise eine große Anzahl Sangeslustiger, vornehmlich Mitglieder des früheren Vereins für die Wiederbelebung desselben bemüht um dem deutschen Liede, dem würdigen Männergesang auch in Oschitz die Liebe und Pflege zu widmen, die ihm gebührt. Wohl hatte man in mir denjenigen erkannt, der die Sache in die Handnehmen musste, wenn etwas daraus werden sollte doch ließ ich mir erst wiederholt das Interesse für diese Angelegenheit beweisen, ehe ich mich zur Führung derselben hingab. Am 23. Oktober am Donnerstag nach dem Kirchweihfest, berief ich eine Versammlung in die Fischersche Restauration, um über die Wiederaufrichtung des Gesangvereins zu beschließen Da ich wußte, daß der Männergesang nur dann ersprießlich gedeihen würde, wenn recht viele Sänger zu demselben gehörten, so hatte ich nicht nur diejenigen, welche schon im früheren Verein gewirkt, nicht nur die sangeslustigen Männer aus der Gemeinde dazu eingeladen. sondern auch Jünglinge von Anfang an mit herangezogen, und diese wurden später die Hauptstütze des Vereins. Nach kurzen Erörterungen in dieser ersten zahlreichen Versammlung wurde denn. Der Verein nachdem er über 13 Jahre lang geruht und nunmehr ausgeschlafen hatte, mit Leichtigkeit aus seinem Schlummer geweckt und aufs Neue belebt So einfach die Bestimmungen lauteten, die an jenem Abend getroffen wurden, so entschieden und sicher waren dieselben. Zu den Statuten kamen in den Jahren meiner Leitung nur wenig Zusätze. Die ersten Gesetze bewährten sich, indem sie Einigkeit und Stärke dem Verein bewahrten; sie waren also gut. Der Verein zählte gleich zu Anfang die stattliche Mitgliederzahl von 32 Sängern, an deren Spitze die Wahl meinen guten Freund Louis Köhler als Geschäftsführer, zugleich mit dem Amt des Kassierers gestallt hatte. Die musikalische Leitung wurde mir natürlich ohne Weiteres aufgetragen, und habe mich in dieser Stellung zum Verein jederzeit sehr wohl gefühlt. Als Lokal wurde das obere Zimmer der Fischerschen Restaurants als das geeignetste im Ort ausersehen. Herr Fischer war auch nicht nur ein Famoser Vereinswirt, sondern ein begeisterter Sangesfreund und Förderer des Vereins. Das Inventar des alten Vereins, dass im oben erwähnten Lokale aufbewahrt gewesen, wurde dem neuen Verein sofort überlassen, und die Noten hatten für uns stets einen nicht zu unterschätzenden Wert. Am nächstfolgenden Donnertag den 1. November, begann das Singen, wie die Übungen überhaupt an diesem Tage der Woche stattfinden sollten. Nachdem die Mitglieder nach ihren Stimmen geprüft und in die 4 bekannten Abteilungen ungefähr geschieden waren, wurden einige Tonübungen gemacht und das Allgemeinste aus der Notenkenntnis mitgeteilt. Darnach nahm man ein vierstimmiges Lied: "Des Morgens in der Frühe" in Angriff und gab sich alle Mühe, dasselbe recht bald durchzuführen. Aber, o Jammer! Wie ging das? Mehrere Stunden schon waren über dem Üben dieses einfachen Liedes vergangen, und noch immer wollte es nicht klingen lernen. Da glaubten denn viele der Sänger bei Erwägung ihrer eigenen Anstrengung & dem Anblick des Schweißes auf der Stirn ihres Dirigenten, aus dem Verein werde sich in musikalischer Hinsicht nimmermehr etwas Gutes gestalten, binnen kurzem werde man den Neugeborenen gewiß zu Grabe geleiten. Die meiste vielleicht alle, dachten so, nur einer nicht, der unverzagt immer das Beste hoffte und heute mit größter Selbstbefriedigung, ja mit Stolz jener Zeit und jenes Vereins sich erinnern kann. das erste Lied mußte, obgleich es durchaus keine wirklichen Schwierigkeiten besaß, beiseitegelegt werden, ohne daß es fertig geübt war. Ein anderes Liedchen: "Nur Übung stählt, die Kraft“ belehrte in seinem Rechte die Sänger, dem Eifer treu zu bleiben, und ließ, da es durchgeführt wurde, die Hoffnungen, wieder steigen. Freilich kostete es großen Fleiß und große Anstrengung, besonders im 2. Tenor der an der einen Stelle allein einzusetzen und fortzuzählen hat, aber wir hätten doch das Bewußtsein erlangt, daß wir im Stande seien, ein Lied durchzuüben. Jetzt galts aber "nicht müde werden und nur Ausdauer für die gute Sache zeigen zu. Jedoch hatten sich mittlerweile schon verschiedene Sänger, meistens ältere Männer, zurückgezogen, da ihnen die Mühe zuviel vermutlich war vielleicht auch, daß sie unter den jungen Leuten sich nicht recht wohl fühlten. Desto rüstiger aber wurde von den anderen weiter geübt, so daß am 1. Weihnachts Feiertag der Verein bereits öffentlich mit den Schulkindern auftrat in dem Lied für gem. Chor: Stille Nacht, heilige Nacht. Man glaubte nunmehr an das Bestehen des Vereins. In demselben hatte neben den ernsten Übungen zur Forderung des deutschen Gesanges auch eine traute Gemütlichkeit Platz genommen. Wie sich das besonders an dem ganzen Weihnachtsabend, den ersten so angenehmer Weise in wir verbrachten und der vor- allem dem Dirigenten eine große Freude bereitete zeigte. Die Gesangsübungen nahmen einen gedeihlichen Fortgang und Vereinsabende machten uns immer mehr Freude. Es währte nicht lange, so hatten wir einen kleinen Liederschatz gesammelt. Ja, es kann schon in den ersten Wochen des neuen Jahres eine unsere Fertigkeiten fast überschätzende Einladung, nämlich die Einladung zum Schleizer Sängerfest, dem 50jährigen Jubiläum des Bürgergesangvereins daselbst. Der Entschluß zur Beteiligung wurde gefaßt, die Stimmen zu den Massenchören besorgt. und nun die Vorbereitung zu jener Feier die vom 22. bis 24. Juni stattfinden sollte begonnen. So kam allmählich der Frühling heran der sich in Deutschland immer ganz besonders einführt indem auf den 22. März der hohe Geburtstag unseres Kaisers Wilhelm fällt. diesen Freudentag wollten auch wir im Gesangverein festlich begehen und nahmen eine musikalisch-Deklamatorische Abendunterhaltung darauffolgendem Tänzchen für Sonntag für den 23. März in Aussicht. Natürlich mußten wir diese Feier mit größter Bescheidenheit arrangieren; mit dem einfachen Programm aber, welches den Akten beiliegt, führten wir unsern Plan durch. Dieser erste gesellige Abend den wir unsern Angehörigen und Freunden boten, wurde im Vereinslokal abgehalten und verlief in angenehmster, heiterster Weise. Wir hatten das Vergnügen, von zahlreichen und angesehenen Gästen beehrt zu sein, die sich alle sehr gut amüsierten. Ich muß dabei stets an einen Herrn denken, der zum größten Spaße aller aber zum Trotze einer „jungen Frau das Lied von der alten Schachtel sang, indem er die Gitarre dazu schlug. Eine flotte Gevatterschaft zu welcher ich zufällig auch gehörte hatte an diesem Abend besondere Gelegenheit, sich vergnügt zu machen. Vor dem Osterfeste wurde keine Singstunde mehr gehalten desto ernster aber mußte nachher geübt werden, denn die Festhymne, welche als Massenchor zum Sängerfest gesungen werden sollte, hatte für uns bedeutende Schwierigkeiten. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Unter eifrig Üben vergingen die nächsten Wochen, das Pfingstfest nahte heran und wozu veranlaßte es uns? Am 1. Feiertage früh gegen 6 Uhr hörte man im Dorfe vom nahen Kulm herab Gesang, erst einen Choral, dann 2 muntere Frühlingslieder. Es war der Gesangverein, der sich unter dem grünen Laubdach der alten ehrwürdigen Buchen versammelt hatte und den ------ Nachbarn unten am Berge die Pfingstfreude verkündete. Unser Fleiß führte zum Ziel. Als der 22. Juni angekommen, da waren die Massengesänge eingeprägt und unter dem lauten Schall des Marsches „Auf ihr Brüder, lasst uns wollen“ zogen auch wir, der festlichen Stadt, den Scharen lustiger Sangesbrüder entgegen. Jeder der Beteiligten wird sich des Festes noch genau erinnern können, darum will ich nichts Näheres darüber sagen. Nur das möchte ich erwähnen, daß von unserm Verein die beiden Festtage, ordentlich ausgenützt wurden, und daß wir gerne an jenes Fest zurückdenken. Was die Hauptsache bei einer solchen Feier ist, daß sie auf das Leben der einzelnen Vereine einwirkt das wurde auch von unserem Vereine profitiert. Wir hatten nun umso mehr Ursache, recht viel Lust und Liebe zum Gesang zu zeigen. Dieses Streben blieb denn auch immer unsere Grundlage und unser Schmuck. Bald nach dem Schleizer Fest traf den Verein auch ein ernstes Los indem er eines seiner Mitglieder verlor. Unser Sanges Bruder und Wirt W. Fischer konnte uns schon mehrere Wochen vorher nicht mehr bedienen und hatte vom Krankenlager aus unseren letzten Übungen zuhören müssen. Der Tod erlöste ihn anfangs Juli von seinem langjährigen Leiden. Sein Hinscheiden wurde von allen Mitgliedern des Vereins, den er mit großem Eifer unterstützt hätte, tief bedauert. In corpore geleiteten wir ihn zur letzten Ruhestätte und widmeten ihm dort noch den Grabgesang: "Auferstehn, ja„. Dieses betrübende Ereignis rief den Verein noch einmal zusammen, obgleich derselbe schon nach dem Sängerfest seine Sommerferien hatte. So gerne wir die Singstunden besuchten, so nötig war es zur Zeit der Ernte, selbige ausfallen zu lassen. Wenn jedoch ein Mitglied des Junggesellenlebens überdrüssig war was sehr häufig vorkam und sich entschlossen hatte, des Lebens schönres Los im Ehestand zu suchen, dann versammelten wir uns eilig, auch wenn es galt nach Heinrichsruh oder Böhmsdorf zu wandern, um ihm das Hochzeitsständchen zu bringen, das meistens auch einen recht hübschen, billigen Gesellschaftsabend zur Folge hatte. Auf das Erntefest bereiteten wir wieder einen Kirchengesang vor und ließen den Lobgesang erschallen: „Danket dem Herrn. Dieses Auftreten sollte leider das letzte auf dem Chor der Kirche sein, da sich dieser Platz zweimal als ungeeignet erwiesen hatte (x später sangen wir vor dem Altar). Das erste Vereinsjahr hatte uns zwar sehr viel Mühe gemacht, aber es war uns doch gelungen, das Ziel zu erreichen, zu welchem wir kommen wollten, und mit Freude konnten wir dem weiteren Gelingen der Sache entgegensehen. Erst von Ende Oktober ab hielt der Verein wieder seine regelmäßigen Zusammenkünfte. Es war dies die Zeit, zu welcher im Vorjahre der Verein ins Leben gerufen worden, und mit neuer Lust gings an die schöne Arbeit- Mittlerweile waren auch diejenigen Mitglieder zum Verein zurückgekehrt, welche uns im Frühjahr verlassen hatten, um hinaus in die Fremde zu ziehen und dort ihr Handwerk reich lohnend zu bethätigen. - Der erste Abend des neuen Vereinsjahres, der mit Recht unser Stiftungsfest bedeutete, da wir von da an uns wieder regelmäßig versammelten, ordnete zunächst die geschäftlichen Interessen des Vereins- Neuwahl des Vorstandes, im letzten Jahre auch die Wahl eines besonderen Kassierers u. s. v. Der erste Vorstand wurde, da er seines Amtes stets treu wartete, auch immer wieder gewählt. Möge er, der nunmehr der „Alte“ genannt werden kann, die Gunst- seiner Mitglieder sich zum Dank gereichen lassen und sein Interesse dem Verein wie bisher erhalten: Mögen aber auch alle anderen, die zu dem Verein gehören, dem selben die Treue und Liebe bewahren, deren sie unter meiner Leitung jederzeit sich bewußt waren! In das 2. Vereinsjahr traten wir mit anderer Gewißheit und mit anderen Hoffnungen als in das erste. Während im Vorjahre der Anfang überwunden werden mußte, von dem das Sprichwort richtig sagt, daß er schwer sei, konnte jetzt die ruhige Fortsetzung folgen. Die früher gelernten Lieder wurden fleißig wiederholt und mit immer größerer Feinheit geübt, dazwischen aber auch eine Anzahl neuer Lieder gelernt, Als das Weihnachtsfest herannahten das der Verein für seinen Dirigenten stets zu einem besonderen Freudenfest gestaltete, da hatten wir wieder so viel gesungen, daß wir das Programm zu einer Abendunterhaltung auf- Dieselbe stellen konnten. verlief ganz in derselben Weise wie diejenige, welche im vorigen Jahre stattgefunden hatte. Jedoch sollte diese Abendunterhaltung zugleich die Vorprobe zu unserem Konzert sein, das wir zu Ehren des Geburtstags Kaiser Wilhelms veranstalten wollten. Auf ein solches Vorhaben hin mußte natürlich noch sehr fleißig geübt werden; denn wir wollten doch auch mit dem ersten größeren Auftreten zeigen, was in allen unseren Kräften stand- Unterdes war uns auch eine Einladung des Oettersdorfer Gesangvereins zugegangen für den 8. Februar 1885 zu dem Konzert des genannten Vereins. Wir rüsteten uns denn zu diesem Fest und fuhren unter lautem Sang bei unseren Nachbarn ein. Wir hörten dort zum ersten Male einen Verein singen, dem wir uns gleich rechnen konnten u. mußten, wie die übrigen Gastvereine auch unser Scherflein zum Konzert geben. Meine Sänger betraten zwar das Podium der Oettersdorfer etwas zögernd aber ihre Leistungen ständen denen der übrigen Vereine durchaus- nicht nach, im Gegenteil: man konnte schon damals heraushören, daß wir ernst und fleißig geübt. hatten. Nach dem Konzert saßen wir gemütlich beisammen in der Nebenstube und ließen, abwechselnd mit den Plothnern, ein Lied nach dem andern steigen und beteiligten uns schließlich auch an dem Ball, der dem Konzert folgte. Erst kurz vor Mitternacht konnten wir uns von der angenehmen Gesellschaft, von dem lieben Nachbarverein, mit dem wir sofort das Freundschaftsbündnis geschlossen hatten, trennen und kamen mit größter Befriedigung über den verlebten Nachmittag u. Abend wohlbehalten in Oschitz an. Nun wußten wir, wie ein solcher Tag abläuft und nützten die Übungsabende, die wir noch bis zum Konzert hatten, gehörig aus. Mit der gesanglichen Vorbereitung wurden wir dann auch ganz gut fertig. Doch mußte da unsere Feier sich auf den hohen Geburtstag Sr. Maj. des Kaisers beziehen sollte, der Leckersche Saal, der das geeignetste Lokal für die Aufführung war, entsprechend dekoriert werden. Unter allseitiger Beihilfe und besonderer Bemühung des Sangesbruders Herrn. Schmidt wurde das Lokal so geschmückt, daß nichts mehr zu wünschen übrigblieb. Hauptsache war nun noch, daß uns der Himmel ein freundliches Gesicht machte und davon waren wir besonders begünstigt. Prächtiger Sonnenschein begleitete zahlreiche Gäste, vor allem die eingeladenen Vereine aus Schleiz (Bürgergesangverein Möschlitz und Oettersdorf) zu uns. Der Böhmsdorfer Verein konnte leider nicht erscheinen, weil er mit der Einübung der Lieder nicht fertig geworden war. Desto mutiger aber gingen wir aus Zeug. Kurz nach 3 Uhr eröffnete die Burgksche Kapelle das Programm (siehe Akten) und wir ließen, mit dieser abwechseln. Nummer auf Nummer folgen. Die ersten Lieder mögen wir ängstlich etwas vorgetragen haben; aber je mehr wir sangen, um, so besser ging es, bis sich schließlich der Chor in seiner ganzen Stärke hören ließ. Als aber das Hoch auf den Kaiser erschallte, da stimmten alle ein in den Klang „Heil dir im Siegerkranz“ Der Saal hatte sich unterdessen gefüllt, und das werte Publikum erwies sich unseren Vorträgen sehr dankbar, wodurch die Sänger die auch die Stimmbänder zu ölen nicht vergessen hatten, vorteilhaft angeregt wurden. Zum Schlusse würzten noch die geschätzten Gastvereine unsere Aufführung indem sie noch eine Anzahl die der „zum Besten“ gaben, die allgemein ansprachen. Dies war für den Einzelnen sowohl wie für die beteiligten Vereine sehr interessant, da man hieraus die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Vereine messen und sein Urteil darnach fällen konnte. Zugleich aber war dieser Wettgesang den Vereinen ein vorzüglicher Ansporn zur weiteren Pflege des deutschen Liedes. Wir bestanden mit unseren Vorträgen immer- gut. So fiel auch die Rezension über unser Konzert im Schleizer Wochenblatt äußerst günstig aus. Doch hatten wir auch schon nach Schluß des Konzertes, bei welchem sich alle köstlich amüsiert hatten, das Gefühl, daß wir unsere Schuldigkeit gethan. Während des Balles der die Gäste noch lange versammelt hielt, herrschte die heiterste Stimmung, und manches Lied ertönte noch zur Feier des Tages. Bis gegen Morgen des 23. März dauerte das fröhliche Fest, das ein Freudenfest im wahrsten Sinne des Wortes gewesen, und woran wir alle uns gern erinnern werden. Nun war es zur vollsten Genüge bestätigt, daß in Oschitz ein gesunder Männergesangverein bestand. denn derselbe hatte sein frisches Leben bewiesen. War uns das Gelingen des ersten öffentlichen Konzertes der Lohn für unsere Opfer und Mühen, so galt uns auch ferner das Ziel, dem deutschen Männergesang, der uns bisher so viel Freude gemacht, unter uns die Stätte zu sichern, die er unter uns gefunden. Die nächsten Übungsabende fielen aus. Erst nach dem Osterfest rief uns die Einladung des Möschlitzer Vereins zusammen. Bei dem Konzert, welches daselbst am 3. Mai stattfinden sollte, wurde unser Erscheinen vorausgesetzt, und wir mußten uns deshalb wieder einige Lieder zurechtlegen. Vollzählig waren wir zum Vereinsfest unserer westlichen Nachbarn zugegen, und es gestaltete sich dieser Tag auch für uns zu einem recht angenehmen. Wie in Oettersdorf und Oschitz, so verlief auch in Möschlitz der Sängercongreß. Mein Verein zeichnete sich wieder um durch besondere Leistungen aus, ja, wir hatten in dieser Beziehung schon einen Ruf erlangt. Aber nicht nur im Ernst waren wir ganz bei der Sache, sondern auch im Scherz und machten uns alle sehr lustig, obgleich ich des bevorstehen den Examens wegen sagen mußte. Ein, ei, ei, ei. bin ich vergnügt und hab es gar nicht nötig. Wiederholt hatte nun der freundliche Verkehr dieser ländlichen Vereine unter einander gezeigt, wie edel und schön ihr gemeinsames Streben sei: darum immer frisch vorwärts in der begonnenen Weise! Die überaus große Gastfreundschaft unserer Möschlitzer Sangesbruder, ich meine das Fäßchen, welches dieselben auf ihrem Podium für die durstigen Kehlen angestochen - gab uns einen Wink, den wir später nicht unbefolgt ließen. Nun hätten eigentlich die großen Ferien beginnen können, doch wurde beschlossen, die Vereinssitzungen noch bis Pfingsten abzuhalten und wie im vorigen Jahre, amt. Festtage wieder auf dem Kulm zu singen. Dadurch aber, daß an jenem Morgen windiges Wetter herrschte, hatte unser Gesang nicht die geplante Wirkung. Die Töne verhallten zu sehr, so daß man im Dorfe nur sehr wenig hörte. Anschließend daran unternahmen wir einen Spaziergang zum Enkens Martin und da gesellte sich gar ein, Herr Nassauer zu uns, dem es jedoch nicht gelang, die Sänger in ihrer Heiterkeit zu stören. Wir hatten schon einmal einen Abendausflug nach Heinrichsruh ausgeführt und dort einen geselligen Liederabend unter uns selbst veranstaltet, aber auch dorthin begleitete uns nicht das beste Wetter. Mochte dies nun dem einen oder dem anderen mehr oder weniger unangenehm sein, die gemütliche Stimmung machte Alles wieder gut. So auch an jenem Pfingstmorgen Nach dem Pfingstfest begannen wir die große Sommerpause zu singen, in welcher der Takt nicht nach Vierteln oder Achteln, sondern nach Wochen gezählt wurde. Erst das Sedanfest gab uns unvorhergesehen eine besondere Veranlassung zum Singen. Der 2. Sept. 85 wurde seitens der Schule zum ersten Mal als ein Kinderfest im Orte selbst proklamiert und diese Feier im Garten unseres Vereinslokales abgehalten. Wie es zu solchen Gelegenheiten sehr naheliegt, so fänden sich auch am Abend desselben Tages eine große Anzahl Gäste bei der Fischern - ich will nur auch hier- mal so sagen- ein um das Andenken der glorreichen Schlacht von Sedan durch den Genuß etlicher Schoppen zu feiern. Auch der Gesangverein war fast vollzählig vertreten, und dieser gestaltete den Abend schließlich zu einem überaus patriotischen und gemütlichen, indem er alle seine Vaterlandslieder ertönen ließ. Ohne jegliche Vorbereitung lag es in unserem können, einen genußreichen Gesellschaftsabend zu schaffen, wofür uns denn auch alle Anwesenden aufrichtigen Dank zoll ten. So beschlossen wir das arbeits- und segensreiche zweite Vereinsjahr. Die nächste Versammlung, welche erst Ende Oktober abgehalten wurde, eröffnete das 3. Geschäftsjahr. Auch während der Ferien hätten alle Mitglieder die Liebe zum Gesang sich bewahrt und käme mit dem rechten Eifer zur Sache vollzählig herbei. Ganz in derselben Weise wie im vorigen Jahre wurden am ersten Abend die Wahl, Rechnungslegung u. s. w. erledigt welche in ihrem Resultat nichts Neues zeigte sodann wurde aber auch gleich das Programm für das laufende Jahr festgestellt und bestimmt, am kommenden Weihnachtsfest wieder eine Abendunterhaltung und im Frühjahr ein Konzert zu geben. Nun galt es, fleißig zu üben das Ziel erreichten wir jedoch ohne besondere Mühe, denn jetzt war uns das Lernen eines Liedes, welches uns im Anfang viel Schweiß kostete, etwas Leichtes- Der geplante Gesellschaftsabend für die Angehörigen der Mitglieder u. deren Freunde fand am Neujahrstage 86 im Vereinslokal statt, verlief in bekannter Weise durch Vortrag von Liedern Reklamationen u. s. w. mit darauffolgendem Tänzchen und amusierte Alle aufs Herzlichste Zum Gelingen des Ganzen hatten die Freundl. Vorträge meines Kollegen H. Bohmann viel beigetragen. Derselbe hat auch später kein Verein seine Freundschaft abermals bewiesen Im weiteren Verlaufe der Übungsabende beschäftigten wir uns mit dem Programm auf zum zweiten Konzert, welches, da es wegen des unheizbaren Saals geboten schien, erst nach Ostern abgehalten werden sollte. Die Oettersdorfer hatten ihr dies jähriges Konzert für den 21. Februar geplant und nicht verfehlt, uns wieder dazu einzuladen. Gerne folgten wir dieser Einladung - diesmal zu Fuß- und verlebten wiederum einen recht frohen Tag mit unseren lieben Nachbarn Das deutsche Lied war für uns eben eine Quelle edlen Strebens, wahren Vergnügens geselliger Freundschaft, das bewies jedes derartige Vereinsfest. Bis zu unserem Konzert verstrich noch eine geraume Zeit so daß wir uns ohne Eile sicher vorbereiten konnten. Im Wonnemonat aber glaubten wir es bezügl. der Witterung riskieren zu können und bestimmten den 9. Mai, den dritten Sonntag nach dem Osterfest, zum Tag unserer zweiten größeren Aufführung. Wenn auch diesmal der eigentliche Zweck derselben keine patriotische Feier war, so wurde doch Alles gethan, um den Tag zu einem festlichen zu gestalten. Vor- allein machte uns die liebe Sonne ein heiteres Gesicht, und prächtiges Frühlingswetter lockte alle Sangesfreunde heraus zu uns Wir hatten die Freude, den mit frischem Grünreich geschmückten Saal bis auf den letzten Platz besetzt zu sehen. Durch die geschätzte Gegenwart sämtlicher Vereine welche uns schon im vorigen Jahre beehrt hatten, wurde das Programm recht interessant und reichhaltig; denn mit unseren Gesängen, die durchweg als gut bezeichnet werden konnten, war das Publikum noch nicht gesättigt. Die w. Gastvereine mußten noch eine reichliche Zugabe machen. Bei allen Vorträgen fehlte es nicht am Beifall der Zuhörer, die allgemein ein Urteil hatten, indem sie sagten: In Oschitz ists halt doch schön! So konnten wir ganz zufrieden sein mit dem Gelingen des 2. Konzertes und waren berechtigt, uns während des darauffolgenden Ballabends recht vergnügt zu machen. Auch der pekunäre Erfolg des Konzertes war ein günstiger so daß wir daran dachten, in Laufe des Sommers einen Ausflug per Wagen (vielleicht nach Ebersdorf, Lobenstein u. s. w.) zu unternehmen. Vorläufig traten wir die großen Ferien an, und in denselben bewahrte sich der Verein eine Ruhe, die bis zum Herbst nicht unterbrochen wurde, auch nicht durch die geplante Sängerfahrt oder durch eine Einladung des Möschlitzer Vereins- Seit dem Entstehen des Oschitzer Gesangvereins waren nun schon 3 Jahre vergangen, unter den Mitgliedern herrschte aber noch der selbe Eifer, dasselbe Interesse wie im Anfang. Die Zahl der Sänger war im allgemeinen die frühere geblieben und schwankte um 25. Zu den Vorstehern des Vereins trat mit Beginn des vierten Winters Herr Sangesbruder Timmich als Kassierer. Im zeigte die Konstitution übrigen nichts Neues. Aber in seinen Leistungen machte der Verein wieder tüchtige Fortschritte. Das bezeugen jene Tage, an welchen er- sich öffentlich hören ließ. Am Weihnachtsfest zunächst wirkte der Verein mit bei der liturgischen Christfeier in der Kirche, die seitens der Schuljugend aufgeführt wurde. Wir sangen dabei einen Choral und „Stelle Nacht, heilige Nacht" im gemischten Chor, das Lied: „O du fröhliche, o du selige u. s. w. aber im Männerchor und ernteten den allgemeinen Dank der Gemeinde. Kurz darnach, am hohen Neujahrstage, hielten wir wieder eine musikalisch deklamatorische Abendunterhaltung ab wie eine solche in jedem Jahre stattgefunden hatte. da sie ganz in vorbeschriebener Weise ablief, halte ich es nicht für nötig, etwas Näheres darüber zu sagen. In den nun folgenden Übungsstunden wurde fleißig, auf das 3. Konzert hin geübt; denn das selbe mußte noch vor Ostern stattfinden, da mein Weggang von Oschitz nunmehr endgültig beschlossen war. Für Sonntag, den 27. März, war unsere dritte konzertmäßige Aufführung bestens vorbereitet. Als aber der Tag selbst anbrach, da wurde uns doch ein wenig bange um dieselbe; denn "Petrus- hatte einen Regentag für uns bestimmt. So wenig einladend die Witterung war, so wenig ließen sich unsere Freunde von ihrem Erscheinen abschrecken. Nicht nur unsere lieben Nachbarvereine sahen wir wieder bei uns voreinigt, sondern auch alle übrigen bekannten Gäste hatten sich eingestellt und den Saal gefüllt. Möchte es nun draußen regnen und brausen. zwischen unseren Wänden entwickelte sich solch ein angenehmes Fest daß es keiner bedauerte, herbei gekommen zu sein. Bei diesem Konzert meinem Abschiedskonzert, kam das völlig zustände, was ich längst bezweckt. Nicht bloß daß unsere Vorträge den Beweis für unsern Fleiß ablegten nicht bloß, daß wir unseren Angehörigen und Freunden ein wirkliches Vergnügen bereiteten nicht bloß daß durch die Vorträge der werten Gastvereine da gegenseitige Interesse der Vereine geweckt und unsere Aufführung wesentlich gehoben wurde denn bei unserem 3. Konzert zeigte sich auch die Zusammengehörigkeit und das gemeinsamen Streben aller Sanges- Freunde, indem ich wir das "Für Kaiser und Reich- Mit dem Bürgergesangverein mit zusammen sängen in Schleiz mehrere Volkslieder- dem "Heute scheid ich, fürwar wie Heut muß geschieden sein von sämtlichen Vereinen vom Publikum gesungen wurden. So mußt denn auch unser 3. Konzert- als durchaus gelungen bezeichnet werden. Mit ihr beschloß ich meine Thätigkeit als Dirigent des Vereins welchen zu heben ich mir stets eine Hauptaufgabe sein ließ. Manche Freude wurde nur durch den Verein bereitet so daß ich im Hinblick auf die Errungenschaften mich allezeit gerne desselben erinnern dies mein werde. Mögen lieben Freunde die Mitglieder des Vereins, erkennen was wir mit unserer Liebe und Treue die wir dem deutschen Männergesang gewidmeten erreicht haben und auch ferner hin dieses edle Streben sich bewahren! Mögen sie sich auch allezeit gerne dessen erinnern der ihre Vereinigung unterstützt und auf die Stufe gebracht hat, auf welcher aus Ansehen seitens anderer Vereine schmückte, auf welcher unser Fleiß, unsere Mühe und Ausdauer ihren Lohn sanden. Meine Wünsche für den Verein, dem ich so gerne angehörte und noch angehöre, fasse ich zusammen in einem Lied hoch! Lied hoch. O grüne fort und blühe lang, du edler deutscher Männersang!"
Berlin, d. 30. September 1887 Körner
Brief über die Gründerjahre des Oschitzer Gesangvereins von Körner, transkribiert von Ingo Möckel (Rechtschreibung wurde nicht geändert)