Schleizer Familien-Riedel (Café Ried'l)
Die Familie Riedel (Rüdel, Rüthel, Rudell) ist in Schleiz alteingesessen. Schon 1518 erscheint ein Hans Rudell als Zeuge, 1520 werden die Witwe Katharina des verstorbenen Michael Rudell und dessen Sohn genannt, und von 1519-1524 ist ein Erhard Rudell nachweisbar. Auch in der näheren Umgebung treten sie häufiger auf, so in Saalburg, Oschitz, Görkwitz, Plothen, Pörmitz u. a. O. Schon im 17. Jahrhundert sind sie in Schleiz Angehörige der Bäckerzunft, der sie bis in die neueste Zeit treu geblieben sind, wenn auch in dieser Zeit ein Tuchmacher Riedel in Schleiz auftritt. Ein Zweig hat sich im 18. Jahrhundert der Weißbäckerei oder wie wir heute sagen, der Konditorei zugewandt, und dieser Zweig hat in seinem Namen das „e“ der zweiten Silbe weggelassen und schreibt sich Ried´l. Dieser Zweig ist erst seit etwa 1644 in Schleiz angesessen und aus Lauterbach bei Oelsnitz i. B. eingewandert. Auch in dieser Gegend sind die Riedel alteingesessen. Ein Nickel Rudel aus Oelsnitz wird 1532 Diener auf Lebenszeit bei dem Kurfürsten Johann Friedrich zu Sachsen, 1540 verunglückt ein Bürger gleichen Namens bei einem Stadtbrand, 1535 werden die Gebrüder Hans und Nickel Rudel in Oelsnitz vom Amte Vogtsberg als Musterschreiber und Unterhauptmann für den Kriegsfall vorgeschlagen; 1471 erscheint ein Bürger Nickel Rudel im nahen Eger. Anfang des 17. Jahrhunderts lebte in Lauterbach bei Oelsnitz ein Zimmermann Paul Rüdel, dessen Sohn Michael das Bäckerhandwerk erlernt hatte und auf seiner Wanderschaft nach Schleiz kam. Hier verheiratete er sich am 7. Mai 1644 mit Maria, der Tochter des Just Knoch in Pahnstangen. Er starb hier 1683; sein nachgelassener, am 11. Mai 1656 geborener gleichnamiger Sohn war ebenfalls Bäcker und verheiratete sich am 4. September 1684 mit der Tochter des Lohgerbers Nikol Carol, Anna Maria. Er wird schon Weißbäcker genannt und stirbt 1722, seine Witwe 1743. Sein Sohn Johann Tobias, geboren am 20 Oktober 1689, folgte ebenfalls dem Beruf des Vaters. Auf seiner Wanderschaft kommt er bis nach Thorn, wo er sich niederlässt und am 30. Januar 1713 Mitglied der Thorner Bäckergesellenbrüderschaft wird. Wahrscheinlich hat er sich dort auch verheiratet. Er ist Lebküchler und zugleich königlich preußischer Wachtmeister. Sein jüngster Sohn Johann Jakob der Begründer der Schleizer Konditoren Familie. Johann Tobias kehrt Anfang der 60er Jahre des 18. Jahrhunderts in seine Vaterstadt zurück und kauft von hier aus 1763 den herrschaftlichen Gasthof „Zum Löwen“ in Ebersdorf. Da ihn aber seine Verwandten, mit der versprochenen Hilfe im Stich lassen, ist er nicht in der Lage, die eingegangenen geldlichen Verpflichtungen zu erfüllen, und er muss ihn schon nach einem halben Jahre wieder verkaufen. Johann Jakob Riedel, geboren 1730 wahrscheinlich in Thorn, wurde der Begründer der Schleizer Lebkuchenfabrikation, obgleich schon 1610 ein Pfefferküchler Christoph Meyer hier genannt wird. Auf Befehl des Landesherrn musste 1704 die Weißbäckerinnung Jakob Johann Riedel gegen Zahlung von 10 Gulden aufnehmen, nahm ihm aber das Versprechen in ihre Innung ab, „weiter nichts als seine Lebkuchen zu backen“. In demselben Jahr noch wurde er Bürger der Stadt und zehn Jahre später Meister. Am 31. Januar 1765 verheiratete er sich mit der Tochter Anna Eva des Fleischermeisters Friedrich Gebhardt in Remptendorf. Trotz scharfer Konkurrenz wusste er sich zu behaupten und war bald ein ständiger und gesuchter Gast auf den Jahrmärkten der engeren und weiteren Umgebung, eine Gewohnheit, der auch seine Nachkommen bis Anfang des 20. Jahrhunderts treu blieben. Daneben aber trieb er auch Landwirtschaft und vergrößerte seinen Besitz durch Ankauf einer Scheune am Oschitzer Tor und mehrerer Feldgrundstücke. Zur Vergrößerung des Geschäfts bot sich 1777 eine passende Gelegenheit. Von Gerichts wegen wurde das Haus des Weißbäckers Prasser am Stadtleich verkauft. Johann Jakob Riedel erwarb es für 920 alte Schock und hatte damit einen sehr günstigen Kauf gemacht, denn an Stelle des Stadtteiches entstand im Laufe des nächsten Jahrhunderts ein großer, verkehrsreicher Platz, der heutige Neumarkt, so dass die Konditorei eine vorzügliche Geschäftslage erhielt. In den Kaufpreis des Hauses waren auch die Braugeräte miteingeschlossen, und der Käufer übte nicht nur das auf dem Hause liegende Braurecht, sondern auch das Schankrecht aus, unterstützt non seinem zweiten, 1769 geborenen Sohn Johann Christian, der ebenfalls das Handwerk des Vaters gelernt hatte. Sein erster Sohn, geboren 1765, war im zarten Alter verstorben. Johann Christian Riedel holte sich ebenfalls eine Frau aus Remptendorf; am 27. November 1808 verheiratete er sich mit Christiane Kuhnla, die ihm 2 Töchter und einen Sohn schenkte. Die beiden Töchter starben im zarten Alter, und ihnen folgte die Mutter 1815, erst 38 Jahre alt. Johann Christian verheiratete sich 1816 zum zweiten Male mit der Witwe Susanne Barbara Heinrica Knoch geb. Neumeister in Unterkoskau. Nur 8 Jahre konnte er das Eheglück genießen; am 2. Dezember 1827 starb er; sein Vater Johann Jakob überlebte ihn noch über 2 Jahre; er starb am 30. März 1827 in dem gesegneten Alter von 96 Jahren. Johann Christian hatte, wahrscheinlich zum Unterschied von den zahlreichen Gliedern der Bäckerfamilie Riedel, die Schreibweise Ried´l eingeführt. Der einzige Sohn Jakob Christian, führte Beruf und Geschäft weiter, dem er dadurch einen neuen Aufschwung zu geben wusste, dass er die Branntweinbrennerei auf eine Höhe brachte, so Dass Riedl´s Schnäpse einen besonderen Vorzug genossen. Er verheiratete sich 1832 mit Henriette Wilhelmine Wolfram, der Tochter des Senators und Ratsbaumeisters Heinrich Gottfried Wolfram, und nach deren frühem Tode mit der Tochter Juliane Luise des verstorbenen Posamentierers Christian Friedrich Gigling. Jakob Christian Ried´l starb im Alter von 40 Jahren am 2. Juli 1849. Den beiden Ehen waren 3 Söhne entsprossen, von denen der älteste Sohn, Karl Heinrich das Geschäft weiterführte. Nachdem sein Vater schon das Unglück hatte, dass das Haus ein Opfer des großen Stadtbrandes am 3. Juli 1837 wurde, musste er erleben, dass es in dem Brande von 1836 wieder in Schutt und Asche sank. Nunmehr erstand das Haus durch den Maurermeister Ludwig in Möschlitz und den Zimmermeister Militzer in Schleiz so, wie wir es heute sehen. Karl Heinrich Ried'l verheiratete sich am 24. August mit Luise Pauline Heeg. Aus der Lebküchlerei war inzwischen eine Konditorei entstanden, dem Bier- und Schnapsschank eine Kaffeestube angegliedert worden. Seine beiden Söhne, Richard Wilhelm und Karl Hermann, erlernten beide die Konditorei. Ersterer aber kaufte später die von Saalburg nach Schleiz verlegte Destillation von Rottler und führte sie weiter. Er wurde daher zum Unterschied von der gleichnamigen Familie kurz der „Rottler-Ried'l“ genannt. Da aus seiner Ehe mit Luise Karoline Weißker kein Sohn hervorging, starb diese Linie mit seinem durch Unfall erfolgten Tode am 19. November 1929 männlicherseits aus. Der ältere Bruder Karl Hermann, geboren am 8. Juni 1860, führte das väterliche Geschäft fort und vergrößerte es; durch Ausbau der unteren Räumlichkeiten entstand aus der Kaffeestube ein der damaligen Zeit entsprechendes Kaffee. Er erhielt vom Fürsten Reuß j. L. den Titel eines Hoflieferanten. Aus seiner Ehe mit Hedwig Anna Meyer, der Tochter des letzten Schleizer Schwarzfärbers, entspross außer einer im jugendlichen Alter verstorbenen Tochter ein Sohn, der auch Karl Hermann heißt, das Geschäft nach dem Tode seines am 26. November 1913 verstorbenen Vaters übernahm. Dem Zuge der Zeit folgend, schuf er ein modernes, allen Anforderungen der Neuzeit gewachsenes Kaffee, indem er 1922 die unteren Räume ausbaute und erweiterte und 1927 das erste Stockwerk noch dazu einrichtete. Die Landwirtschaft, die seine Vorfahren neben dem Geschäft noch trieben, gab er auf. Sein jüngster Sohn aus der Ehe mit Anna Frieda Peip aus Unterkoskau (gest.1932, Heinrich Wilhelm Ferdinand, steht bereits im alten Beruf der Familie, so dass sie menschlicher Voraussicht nach in der 10. Generation dem gleichen Handwerk dient. Robert Hänsel
Gefunden im Stadtarchiv Schleiz im Reussischen Anzeiger 1932 von Ingo Möckel