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  • April 2025

    Brief über die Gründerjahre des Gesangvereins Oschitz 1887

    Erinnerung an meine ersten Dirigentenjahre (im Gesangverein zu Oschitz). Als im Herbst 1883 auf vielseitige Anregung des Männergesangsvereins in dem lieben Oschitz, der mit dem Ausscheiden seines früheren Dirigenten Herrn Lehrer Fichtner, schlafen gegangen war wiederaufgerichtet würde, konnte man es nicht ahnen, daß der Verein in so kurzer Zeit sich zu dem lebensfähigen und tatkräftigen emporarbeiten werde, als der er heute dasteht. Es hatte sich damals erfreulicherweise eine große Anzahl Sangeslustiger, vornehmlich Mitglieder des früheren Vereins für die Wiederbelebung desselben bemüht um dem deutschen Liede, dem würdigen Männergesang auch in Oschitz die Liebe und Pflege zu widmen, die ihm gebührt. Wohl hatte man in mir denjenigen erkannt, der die Sache in die Handnehmen musste, wenn etwas daraus werden sollte doch ließ ich mir erst wiederholt das Interesse für diese Angelegenheit beweisen, ehe ich mich zur Führung derselben hingab. Am 23. Oktober am Donnerstag nach dem Kirchweihfest, berief ich eine Versammlung in die Fischersche Restauration, um über die Wiederaufrichtung des Gesangvereins zu beschließen Da ich wußte, daß der Männergesang nur dann ersprießlich gedeihen würde, wenn recht viele Sänger zu demselben gehörten, so hatte ich nicht nur diejenigen, welche schon im früheren Verein gewirkt, nicht nur die sangeslustigen Männer aus der Gemeinde dazu eingeladen. sondern auch Jünglinge von Anfang an mit herangezogen, und diese wurden später die Hauptstütze des Vereins. Nach kurzen Erörterungen in dieser ersten zahlreichen Versammlung wurde denn. Der Verein nachdem er über 13 Jahre lang geruht und nunmehr ausgeschlafen hatte, mit Leichtigkeit aus seinem Schlummer geweckt und aufs Neue belebt So einfach die Bestimmungen lauteten, die an jenem Abend getroffen wurden, so entschieden und sicher waren dieselben. Zu den Statuten kamen in den Jahren meiner Leitung nur wenig Zusätze. Die ersten Gesetze bewährten sich, indem sie Einigkeit und Stärke dem Verein bewahrten; sie waren also gut. Der Verein zählte gleich zu Anfang die stattliche Mitgliederzahl von 32 Sängern, an deren Spitze die Wahl meinen guten Freund Louis Köhler als Geschäftsführer, zugleich mit dem Amt des Kassierers gestallt hatte. Die musikalische Leitung wurde mir natürlich ohne Weiteres aufgetragen, und habe mich in dieser Stellung zum Verein jederzeit sehr wohl gefühlt. Als Lokal wurde das obere Zimmer der Fischerschen Restaurants als das geeignetste im Ort ausersehen. Herr Fischer war auch nicht nur ein Famoser Vereinswirt, sondern ein begeisterter Sangesfreund und Förderer des Vereins. Das Inventar des alten Vereins, dass im oben erwähnten Lokale aufbewahrt gewesen, wurde dem neuen Verein sofort überlassen, und die Noten hatten für uns stets einen nicht zu unterschätzenden Wert. Am nächstfolgenden Donnertag den 1. November, begann das Singen, wie die Übungen überhaupt an diesem Tage der Woche stattfinden sollten. Nachdem die Mitglieder nach ihren Stimmen geprüft und in die 4 bekannten Abteilungen ungefähr geschieden waren, wurden einige Tonübungen gemacht und das Allgemeinste aus der Notenkenntnis mitgeteilt. Darnach nahm man ein vierstimmiges Lied: "Des Morgens in der Frühe" in Angriff und gab sich alle Mühe, dasselbe recht bald durchzuführen. Aber, o Jammer! Wie ging das? Mehrere Stunden schon waren über dem Üben dieses einfachen Liedes vergangen, und noch immer wollte es nicht klingen lernen. Da glaubten denn viele der Sänger bei Erwägung ihrer eigenen Anstrengung & dem Anblick des Schweißes auf der Stirn ihres Dirigenten, aus dem Verein werde sich in musikalischer Hinsicht nimmermehr etwas Gutes gestalten, binnen kurzem werde man den Neugeborenen gewiß zu Grabe geleiten. Die meiste vielleicht alle, dachten so, nur einer nicht, der unverzagt immer das Beste hoffte und heute mit größter Selbstbefriedigung, ja mit Stolz jener Zeit und jenes Vereins sich erinnern kann. das erste Lied mußte, obgleich es durchaus keine wirklichen Schwierigkeiten besaß, beiseitegelegt werden, ohne daß es fertig geübt war. Ein anderes Liedchen: "Nur Übung stählt, die Kraft“ belehrte in seinem Rechte die Sänger, dem Eifer treu zu bleiben, und ließ, da es durchgeführt wurde, die Hoffnungen, wieder steigen. Freilich kostete es großen Fleiß und große Anstrengung, besonders im 2. Tenor der an der einen Stelle allein einzusetzen und fortzuzählen hat, aber wir hätten doch das Bewußtsein erlangt, daß wir im Stande seien, ein Lied durchzuüben. Jetzt galts aber "nicht müde werden und nur Ausdauer für die gute Sache zeigen zu. Jedoch hatten sich mittlerweile schon verschiedene Sänger, meistens ältere Männer, zurückgezogen, da ihnen die Mühe zuviel vermutlich war vielleicht auch, daß sie unter den jungen Leuten sich nicht recht wohl fühlten. Desto rüstiger aber wurde von den anderen weiter geübt, so daß am 1. Weihnachts Feiertag der Verein bereits öffentlich mit den Schulkindern auftrat in dem Lied für gem. Chor: Stille Nacht, heilige Nacht. Man glaubte nunmehr an das Bestehen des Vereins. In demselben hatte neben den ernsten Übungen zur Forderung des deutschen Gesanges auch eine traute Gemütlichkeit Platz genommen. Wie sich das besonders an dem ganzen Weihnachtsabend, den ersten so angenehmer Weise in wir verbrachten und der vor- allem dem Dirigenten eine große Freude bereitete zeigte. Die Gesangsübungen nahmen einen gedeihlichen Fortgang und Vereinsabende machten uns immer mehr Freude. Es währte nicht lange, so hatten wir einen kleinen Liederschatz gesammelt. Ja, es kann schon in den ersten Wochen des neuen Jahres eine unsere Fertigkeiten fast überschätzende Einladung, nämlich die Einladung zum Schleizer Sängerfest, dem 50jährigen Jubiläum des Bürgergesangvereins daselbst. Der Entschluß zur Beteiligung wurde gefaßt, die Stimmen zu den Massenchören besorgt. und nun die Vorbereitung zu jener Feier die vom 22. bis 24. Juni stattfinden sollte begonnen. So kam allmählich der Frühling heran der sich in Deutschland immer ganz besonders einführt indem auf den 22. März der hohe Geburtstag unseres Kaisers Wilhelm fällt. diesen Freudentag wollten auch wir im Gesangverein festlich begehen und nahmen eine musikalisch-Deklamatorische Abendunterhaltung darauffolgendem Tänzchen für Sonntag für den 23. März in Aussicht. Natürlich mußten wir diese Feier mit größter Bescheidenheit arrangieren; mit dem einfachen Programm aber, welches den Akten beiliegt, führten wir unsern Plan durch. Dieser erste gesellige Abend den wir unsern Angehörigen und Freunden boten, wurde im Vereinslokal abgehalten und verlief in angenehmster, heiterster Weise. Wir hatten das Vergnügen, von zahlreichen und angesehenen Gästen beehrt zu sein, die sich alle sehr gut amüsierten. Ich muß dabei stets an einen Herrn denken, der zum größten Spaße aller aber zum Trotze einer „jungen Frau das Lied von der alten Schachtel sang, indem er die Gitarre dazu schlug. Eine flotte Gevatterschaft zu welcher ich zufällig auch gehörte hatte an diesem Abend besondere Gelegenheit, sich vergnügt zu machen. Vor dem Osterfeste wurde keine Singstunde mehr gehalten desto ernster aber mußte nachher geübt werden, denn die Festhymne, welche als Massenchor zum Sängerfest gesungen werden sollte, hatte für uns bedeutende Schwierigkeiten. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Unter eifrig Üben vergingen die nächsten Wochen, das Pfingstfest nahte heran und wozu veranlaßte es uns? Am 1. Feiertage früh gegen 6 Uhr hörte man im Dorfe vom nahen Kulm herab Gesang, erst einen Choral, dann 2 muntere Frühlingslieder. Es war der Gesangverein, der sich unter dem grünen Laubdach der alten ehrwürdigen Buchen versammelt hatte und den ------ Nachbarn unten am Berge die Pfingstfreude verkündete. Unser Fleiß führte zum Ziel. Als der 22. Juni angekommen, da waren die Massengesänge eingeprägt und unter dem lauten Schall des Marsches „Auf ihr Brüder, lasst uns wollen“ zogen auch wir, der festlichen Stadt, den Scharen lustiger Sangesbrüder entgegen. Jeder der Beteiligten wird sich des Festes noch genau erinnern können, darum will ich nichts Näheres darüber sagen. Nur das möchte ich erwähnen, daß von unserm Verein die beiden Festtage, ordentlich ausgenützt wurden, und daß wir gerne an jenes Fest zurückdenken. Was die Hauptsache bei einer solchen Feier ist, daß sie auf das Leben der einzelnen Vereine einwirkt das wurde auch von unserem Vereine profitiert. Wir hatten nun umso mehr Ursache, recht viel Lust und Liebe zum Gesang zu zeigen. Dieses Streben blieb denn auch immer unsere Grundlage und unser Schmuck. Bald nach dem Schleizer Fest traf den Verein auch ein ernstes Los indem er eines seiner Mitglieder verlor. Unser Sanges Bruder und Wirt W. Fischer konnte uns schon mehrere Wochen vorher nicht mehr bedienen und hatte vom Krankenlager aus unseren letzten Übungen zuhören müssen. Der Tod erlöste ihn anfangs Juli von seinem langjährigen Leiden. Sein Hinscheiden wurde von allen Mitgliedern des Vereins, den er mit großem Eifer unterstützt hätte, tief bedauert. In corpore geleiteten wir ihn zur letzten Ruhestätte und widmeten ihm dort noch den Grabgesang: "Auferstehn, ja„. Dieses betrübende Ereignis rief den Verein noch einmal zusammen, obgleich derselbe schon nach dem Sängerfest seine Sommerferien hatte. So gerne wir die Singstunden besuchten, so nötig war es zur Zeit der Ernte, selbige ausfallen zu lassen. Wenn jedoch ein Mitglied des Junggesellenlebens überdrüssig war was sehr häufig vorkam und sich entschlossen hatte, des Lebens schönres Los im Ehestand zu suchen, dann versammelten wir uns eilig, auch wenn es galt nach Heinrichsruh oder Böhmsdorf zu wandern, um ihm das Hochzeitsständchen zu bringen, das meistens auch einen recht hübschen, billigen Gesellschaftsabend zur Folge hatte. Auf das Erntefest bereiteten wir wieder einen Kirchengesang vor und ließen den Lobgesang erschallen: „Danket dem Herrn. Dieses Auftreten sollte leider das letzte auf dem Chor der Kirche sein, da sich dieser Platz zweimal als ungeeignet erwiesen hatte (x später sangen wir vor dem Altar). Das erste Vereinsjahr hatte uns zwar sehr viel Mühe gemacht, aber es war uns doch gelungen, das Ziel zu erreichen, zu welchem wir kommen wollten, und mit Freude konnten wir dem weiteren Gelingen der Sache entgegensehen. Erst von Ende Oktober ab hielt der Verein wieder seine regelmäßigen Zusammenkünfte. Es war dies die Zeit, zu welcher im Vorjahre der Verein ins Leben gerufen worden, und mit neuer Lust gings an die schöne Arbeit- Mittlerweile waren auch diejenigen Mitglieder zum Verein zurückgekehrt, welche uns im Frühjahr verlassen hatten, um hinaus in die Fremde zu ziehen und dort ihr Handwerk reich lohnend zu bethätigen. - Der erste Abend des neuen Vereinsjahres, der mit Recht unser Stiftungsfest bedeutete, da wir von da an uns wieder regelmäßig versammelten, ordnete zunächst die geschäftlichen Interessen des Vereins- Neuwahl des Vorstandes, im letzten Jahre auch die Wahl eines besonderen Kassierers u. s. v. Der erste Vorstand wurde, da er seines Amtes stets treu wartete, auch immer wieder gewählt. Möge er, der nunmehr der „Alte“ genannt werden kann, die Gunst- seiner Mitglieder sich zum Dank gereichen lassen und sein Interesse dem Verein wie bisher erhalten: Mögen aber auch alle anderen, die zu dem Verein gehören, dem selben die Treue und Liebe bewahren, deren sie unter meiner Leitung jederzeit sich bewußt waren! In das 2. Vereinsjahr traten wir mit anderer Gewißheit und mit anderen Hoffnungen als in das erste. Während im Vorjahre der Anfang überwunden werden mußte, von dem das Sprichwort richtig sagt, daß er schwer sei, konnte jetzt die ruhige Fortsetzung folgen. Die früher gelernten Lieder wurden fleißig wiederholt und mit immer größerer Feinheit geübt, dazwischen aber auch eine Anzahl neuer Lieder gelernt, Als das Weihnachtsfest herannahten das der Verein für seinen Dirigenten stets zu einem besonderen Freudenfest gestaltete, da hatten wir wieder so viel gesungen, daß wir das Programm zu einer Abendunterhaltung auf- Dieselbe stellen konnten. verlief ganz in derselben Weise wie diejenige, welche im vorigen Jahre stattgefunden hatte. Jedoch sollte diese Abendunterhaltung zugleich die Vorprobe zu unserem Konzert sein, das wir zu Ehren des Geburtstags Kaiser Wilhelms veranstalten wollten. Auf ein solches Vorhaben hin mußte natürlich noch sehr fleißig geübt werden; denn wir wollten doch auch mit dem ersten größeren Auftreten zeigen, was in allen unseren Kräften stand- Unterdes war uns auch eine Einladung des Oettersdorfer Gesangvereins zugegangen für den 8. Februar 1885 zu dem Konzert des genannten Vereins. Wir rüsteten uns denn zu diesem Fest und fuhren unter lautem Sang bei unseren Nachbarn ein. Wir hörten dort zum ersten Male einen Verein singen, dem wir uns gleich rechnen konnten u. mußten, wie die übrigen Gastvereine auch unser Scherflein zum Konzert geben. Meine Sänger betraten zwar das Podium der Oettersdorfer etwas zögernd aber ihre Leistungen ständen denen der übrigen Vereine durchaus- nicht nach, im Gegenteil: man konnte schon damals heraushören, daß wir ernst und fleißig geübt. hatten. Nach dem Konzert saßen wir gemütlich beisammen in der Nebenstube und ließen, abwechselnd mit den Plothnern, ein Lied nach dem andern steigen und beteiligten uns schließlich auch an dem Ball, der dem Konzert folgte. Erst kurz vor Mitternacht konnten wir uns von der angenehmen Gesellschaft, von dem lieben Nachbarverein, mit dem wir sofort das Freundschaftsbündnis geschlossen hatten, trennen und kamen mit größter Befriedigung über den verlebten Nachmittag u. Abend wohlbehalten in Oschitz an. Nun wußten wir, wie ein solcher Tag abläuft und nützten die Übungsabende, die wir noch bis zum Konzert hatten, gehörig aus. Mit der gesanglichen Vorbereitung wurden wir dann auch ganz gut fertig. Doch mußte da unsere Feier sich auf den hohen Geburtstag Sr. Maj. des Kaisers beziehen sollte, der Leckersche Saal, der das geeignetste Lokal für die Aufführung war, entsprechend dekoriert werden. Unter allseitiger Beihilfe und besonderer Bemühung des Sangesbruders Herrn. Schmidt wurde das Lokal so geschmückt, daß nichts mehr zu wünschen übrigblieb. Hauptsache war nun noch, daß uns der Himmel ein freundliches Gesicht machte und davon waren wir besonders begünstigt. Prächtiger Sonnenschein begleitete zahlreiche Gäste, vor allem die eingeladenen Vereine aus Schleiz (Bürgergesangverein Möschlitz und Oettersdorf) zu uns. Der Böhmsdorfer Verein konnte leider nicht erscheinen, weil er mit der Einübung der Lieder nicht fertig geworden war. Desto mutiger aber gingen wir aus Zeug. Kurz nach 3 Uhr eröffnete die Burgksche Kapelle das Programm (siehe Akten) und wir ließen, mit dieser abwechseln. Nummer auf Nummer folgen. Die ersten Lieder mögen wir ängstlich etwas vorgetragen haben; aber je mehr wir sangen, um, so besser ging es, bis sich schließlich der Chor in seiner ganzen Stärke hören ließ. Als aber das Hoch auf den Kaiser erschallte, da stimmten alle ein in den Klang „Heil dir im Siegerkranz“ Der Saal hatte sich unterdessen gefüllt, und das werte Publikum erwies sich unseren Vorträgen sehr dankbar, wodurch die Sänger die auch die Stimmbänder zu ölen nicht vergessen hatten, vorteilhaft angeregt wurden. Zum Schlusse würzten noch die geschätzten Gastvereine unsere Aufführung indem sie noch eine Anzahl die der „zum Besten“ gaben, die allgemein ansprachen. Dies war für den Einzelnen sowohl wie für die beteiligten Vereine sehr interessant, da man hieraus die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Vereine messen und sein Urteil darnach fällen konnte. Zugleich aber war dieser Wettgesang den Vereinen ein vorzüglicher Ansporn zur weiteren Pflege des deutschen Liedes. Wir bestanden mit unseren Vorträgen immer- gut. So fiel auch die Rezension über unser Konzert im Schleizer Wochenblatt äußerst günstig aus. Doch hatten wir auch schon nach Schluß des Konzertes, bei welchem sich alle köstlich amüsiert hatten, das Gefühl, daß wir unsere Schuldigkeit gethan. Während des Balles der die Gäste noch lange versammelt hielt, herrschte die heiterste Stimmung, und manches Lied ertönte noch zur Feier des Tages. Bis gegen Morgen des 23. März dauerte das fröhliche Fest, das ein Freudenfest im wahrsten Sinne des Wortes gewesen, und woran wir alle uns gern erinnern werden. Nun war es zur vollsten Genüge bestätigt, daß in Oschitz ein gesunder Männergesangverein bestand. denn derselbe hatte sein frisches Leben bewiesen. War uns das Gelingen des ersten öffentlichen Konzertes der Lohn für unsere Opfer und Mühen, so galt uns auch ferner das Ziel, dem deutschen Männergesang, der uns bisher so viel Freude gemacht, unter uns die Stätte zu sichern, die er unter uns gefunden. Die nächsten Übungsabende fielen aus. Erst nach dem Osterfest rief uns die Einladung des Möschlitzer Vereins zusammen. Bei dem Konzert, welches daselbst am 3. Mai stattfinden sollte, wurde unser Erscheinen vorausgesetzt, und wir mußten uns deshalb wieder einige Lieder zurechtlegen. Vollzählig waren wir zum Vereinsfest unserer westlichen Nachbarn zugegen, und es gestaltete sich dieser Tag auch für uns zu einem recht angenehmen. Wie in Oettersdorf und Oschitz, so verlief auch in Möschlitz der Sängercongreß. Mein Verein zeichnete sich wieder um durch besondere Leistungen aus, ja, wir hatten in dieser Beziehung schon einen Ruf erlangt. Aber nicht nur im Ernst waren wir ganz bei der Sache, sondern auch im Scherz und machten uns alle sehr lustig, obgleich ich des bevorstehen den Examens wegen sagen mußte. Ein, ei, ei, ei. bin ich vergnügt und hab es gar nicht nötig. Wiederholt hatte nun der freundliche Verkehr dieser ländlichen Vereine unter einander gezeigt, wie edel und schön ihr gemeinsames Streben sei: darum immer frisch vorwärts in der begonnenen Weise! Die überaus große Gastfreundschaft unserer Möschlitzer Sangesbruder, ich meine das Fäßchen, welches dieselben auf ihrem Podium für die durstigen Kehlen angestochen - gab uns einen Wink, den wir später nicht unbefolgt ließen. Nun hätten eigentlich die großen Ferien beginnen können, doch wurde beschlossen, die Vereinssitzungen noch bis Pfingsten abzuhalten und wie im vorigen Jahre, amt. Festtage wieder auf dem Kulm zu singen. Dadurch aber, daß an jenem Morgen windiges Wetter herrschte, hatte unser Gesang nicht die geplante Wirkung. Die Töne verhallten zu sehr, so daß man im Dorfe nur sehr wenig hörte. Anschließend daran unternahmen wir einen Spaziergang zum Enkens Martin und da gesellte sich gar ein, Herr Nassauer zu uns, dem es jedoch nicht gelang, die Sänger in ihrer Heiterkeit zu stören. Wir hatten schon einmal einen Abendausflug nach Heinrichsruh ausgeführt und dort einen geselligen Liederabend unter uns selbst veranstaltet, aber auch dorthin begleitete uns nicht das beste Wetter. Mochte dies nun dem einen oder dem anderen mehr oder weniger unangenehm sein, die gemütliche Stimmung machte Alles wieder gut. So auch an jenem Pfingstmorgen Nach dem Pfingstfest begannen wir die große Sommerpause zu singen, in welcher der Takt nicht nach Vierteln oder Achteln, sondern nach Wochen gezählt wurde. Erst das Sedanfest gab uns unvorhergesehen eine besondere Veranlassung zum Singen. Der 2. Sept. 85 wurde seitens der Schule zum ersten Mal als ein Kinderfest im Orte selbst proklamiert und diese Feier im Garten unseres Vereinslokales abgehalten. Wie es zu solchen Gelegenheiten sehr naheliegt, so fänden sich auch am Abend desselben Tages eine große Anzahl Gäste bei der Fischern - ich will nur auch hier- mal so sagen- ein um das Andenken der glorreichen Schlacht von Sedan durch den Genuß etlicher Schoppen zu feiern. Auch der Gesangverein war fast vollzählig vertreten, und dieser gestaltete den Abend schließlich zu einem überaus patriotischen und gemütlichen, indem er alle seine Vaterlandslieder ertönen ließ. Ohne jegliche Vorbereitung lag es in unserem können, einen genußreichen Gesellschaftsabend zu schaffen, wofür uns denn auch alle Anwesenden aufrichtigen Dank zoll ten. So beschlossen wir das arbeits- und segensreiche zweite Vereinsjahr. Die nächste Versammlung, welche erst Ende Oktober abgehalten wurde, eröffnete das 3. Geschäftsjahr. Auch während der Ferien hätten alle Mitglieder die Liebe zum Gesang sich bewahrt und käme mit dem rechten Eifer zur Sache vollzählig herbei. Ganz in derselben Weise wie im vorigen Jahre wurden am ersten Abend die Wahl, Rechnungslegung u. s. w. erledigt welche in ihrem Resultat nichts Neues zeigte sodann wurde aber auch gleich das Programm für das laufende Jahr festgestellt und bestimmt, am kommenden Weihnachtsfest wieder eine Abendunterhaltung und im Frühjahr ein Konzert zu geben. Nun galt es, fleißig zu üben das Ziel erreichten wir jedoch ohne besondere Mühe, denn jetzt war uns das Lernen eines Liedes, welches uns im Anfang viel Schweiß kostete, etwas Leichtes- Der geplante Gesellschaftsabend für die Angehörigen der Mitglieder u. deren Freunde fand am Neujahrstage 86 im Vereinslokal statt, verlief in bekannter Weise durch Vortrag von Liedern Reklamationen u. s. w. mit darauffolgendem Tänzchen und amusierte Alle aufs Herzlichste Zum Gelingen des Ganzen hatten die Freundl. Vorträge meines Kollegen H. Bohmann viel beigetragen. Derselbe hat auch später kein Verein seine Freundschaft abermals bewiesen Im weiteren Verlaufe der Übungsabende beschäftigten wir uns mit dem Programm auf zum zweiten Konzert, welches, da es wegen des unheizbaren Saals geboten schien, erst nach Ostern abgehalten werden sollte. Die Oettersdorfer hatten ihr dies jähriges Konzert für den 21. Februar geplant und nicht verfehlt, uns wieder dazu einzuladen. Gerne folgten wir dieser Einladung - diesmal zu Fuß- und verlebten wiederum einen recht frohen Tag mit unseren lieben Nachbarn Das deutsche Lied war für uns eben eine Quelle edlen Strebens, wahren Vergnügens geselliger Freundschaft, das bewies jedes derartige Vereinsfest. Bis zu unserem Konzert verstrich noch eine geraume Zeit so daß wir uns ohne Eile sicher vorbereiten konnten. Im Wonnemonat aber glaubten wir es bezügl. der Witterung riskieren zu können und bestimmten den 9. Mai, den dritten Sonntag nach dem Osterfest, zum Tag unserer zweiten größeren Aufführung. Wenn auch diesmal der eigentliche Zweck derselben keine patriotische Feier war, so wurde doch Alles gethan, um den Tag zu einem festlichen zu gestalten. Vor- allein machte uns die liebe Sonne ein heiteres Gesicht, und prächtiges Frühlingswetter lockte alle Sangesfreunde heraus zu uns Wir hatten die Freude, den mit frischem Grünreich geschmückten Saal bis auf den letzten Platz besetzt zu sehen. Durch die geschätzte Gegenwart sämtlicher Vereine welche uns schon im vorigen Jahre beehrt hatten, wurde das Programm recht interessant und reichhaltig; denn mit unseren Gesängen, die durchweg als gut bezeichnet werden konnten, war das Publikum noch nicht gesättigt. Die w. Gastvereine mußten noch eine reichliche Zugabe machen. Bei allen Vorträgen fehlte es nicht am Beifall der Zuhörer, die allgemein ein Urteil hatten, indem sie sagten: In Oschitz ists halt doch schön! So konnten wir ganz zufrieden sein mit dem Gelingen des 2. Konzertes und waren berechtigt, uns während des darauffolgenden Ballabends recht vergnügt zu machen. Auch der pekunäre Erfolg des Konzertes war ein günstiger so daß wir daran dachten, in Laufe des Sommers einen Ausflug per Wagen (vielleicht nach Ebersdorf, Lobenstein u. s. w.) zu unternehmen. Vorläufig traten wir die großen Ferien an, und in denselben bewahrte sich der Verein eine Ruhe, die bis zum Herbst nicht unterbrochen wurde, auch nicht durch die geplante Sängerfahrt oder durch eine Einladung des Möschlitzer Vereins- Seit dem Entstehen des Oschitzer Gesangvereins waren nun schon 3 Jahre vergangen, unter den Mitgliedern herrschte aber noch der selbe Eifer, dasselbe Interesse wie im Anfang. Die Zahl der Sänger war im allgemeinen die frühere geblieben und schwankte um 25. Zu den Vorstehern des Vereins trat mit Beginn des vierten Winters Herr Sangesbruder Timmich als Kassierer. Im zeigte die Konstitution übrigen nichts Neues. Aber in seinen Leistungen machte der Verein wieder tüchtige Fortschritte. Das bezeugen jene Tage, an welchen er- sich öffentlich hören ließ. Am Weihnachtsfest zunächst wirkte der Verein mit bei der liturgischen Christfeier in der Kirche, die seitens der Schuljugend aufgeführt wurde. Wir sangen dabei einen Choral und „Stelle Nacht, heilige Nacht" im gemischten Chor, das Lied: „O du fröhliche, o du selige u. s. w. aber im Männerchor und ernteten den allgemeinen Dank der Gemeinde. Kurz darnach, am hohen Neujahrstage, hielten wir wieder eine musikalisch deklamatorische Abendunterhaltung ab wie eine solche in jedem Jahre stattgefunden hatte. da sie ganz in vorbeschriebener Weise ablief, halte ich es nicht für nötig, etwas Näheres darüber zu sagen. In den nun folgenden Übungsstunden wurde fleißig, auf das 3. Konzert hin geübt; denn das selbe mußte noch vor Ostern stattfinden, da mein Weggang von Oschitz nunmehr endgültig beschlossen war. Für Sonntag, den 27. März, war unsere dritte konzertmäßige Aufführung bestens vorbereitet. Als aber der Tag selbst anbrach, da wurde uns doch ein wenig bange um dieselbe; denn "Petrus- hatte einen Regentag für uns bestimmt. So wenig einladend die Witterung war, so wenig ließen sich unsere Freunde von ihrem Erscheinen abschrecken. Nicht nur unsere lieben Nachbarvereine sahen wir wieder bei uns voreinigt, sondern auch alle übrigen bekannten Gäste hatten sich eingestellt und den Saal gefüllt. Möchte es nun draußen regnen und brausen. zwischen unseren Wänden entwickelte sich solch ein angenehmes Fest daß es keiner bedauerte, herbei gekommen zu sein. Bei diesem Konzert meinem Abschiedskonzert, kam das völlig zustände, was ich längst bezweckt. Nicht bloß daß unsere Vorträge den Beweis für unsern Fleiß ablegten nicht bloß, daß wir unseren Angehörigen und Freunden ein wirkliches Vergnügen bereiteten nicht bloß daß durch die Vorträge der werten Gastvereine da gegenseitige Interesse der Vereine geweckt und unsere Aufführung wesentlich gehoben wurde denn bei unserem 3. Konzert zeigte sich auch die Zusammengehörigkeit und das gemeinsamen Streben aller Sanges- Freunde, indem ich wir das "Für Kaiser und Reich- Mit dem Bürgergesangverein mit zusammen sängen in Schleiz mehrere Volkslieder- dem "Heute scheid ich, fürwar wie Heut muß geschieden sein von sämtlichen Vereinen vom Publikum gesungen wurden. So mußt denn auch unser 3. Konzert- als durchaus gelungen bezeichnet werden. Mit ihr beschloß ich meine Thätigkeit als Dirigent des Vereins welchen zu heben ich mir stets eine Hauptaufgabe sein ließ. Manche Freude wurde nur durch den Verein bereitet so daß ich im Hinblick auf die Errungenschaften mich allezeit gerne desselben erinnern dies mein werde. Mögen lieben Freunde die Mitglieder des Vereins, erkennen was wir mit unserer Liebe und Treue die wir dem deutschen Männergesang gewidmeten erreicht haben und auch ferner hin dieses edle Streben sich bewahren! Mögen sie sich auch allezeit gerne dessen erinnern der ihre Vereinigung unterstützt und auf die Stufe gebracht hat, auf welcher aus Ansehen seitens anderer Vereine schmückte, auf welcher unser Fleiß, unsere Mühe und Ausdauer ihren Lohn sanden. Meine Wünsche für den Verein, dem ich so gerne angehörte und noch angehöre, fasse ich zusammen in einem Lied hoch! Lied hoch. O grüne fort und blühe lang, du edler deutscher Männersang!" 

    Berlin, d. 30. September 1887                Körner

     

    Brief über die Gründerjahre des Oschitzer Gesangvereins von Körner, transkribiert von Ingo Möckel (Rechtschreibung wurde nicht geändert)

     

  • März 2025

    Wisent oder Ochse

    Schleitz, oder Schlewitz, ist ein Städtchen im Vogtland, derzeit unter den Grafen Reußen von Plauen. Zuvor gehörte es zu den letzten Burggrafen von Meißen und davor zu den Herren von Gera. Diese Linie ist jedoch 1500 ausgestorben, und 1616 kam Schleitz an die jüngere Linie der Reußen zu Gera durch den Abgang der mittleren Linie. Der Rat in Schleitz führt in seinem Wappen einen Ochsen, was ohne Zweifel von dem Viehmarkt herrührt, der früher sehr bekannt war. Einige möchten es anders interpretieren und nennen es Wiesentier, was jedoch keinen Grund hat, denn in unserer Region sind keine Bisons zu finden. Zudem wissen die Leute nicht, dass auch der Rat von Marseille in Frankreich früher einen Ochsen im Wappen führte als Zeichen für gute Weide und großen Viehhandel, worüber sie sich nicht schämten. Es ist glaubhaft, dass es in alten Zeiten in Schleitz wohlhabende Verhältnisse gab, ähnlich wie im Frankenland, wo eine Fehde stattfand, die Herrmannus Fabronius Mosemanus in seiner deutschen Geographie und Historie erwähnt (S. 182). Fitolo von Böhmen berichtet von einem Adeligen, der seinen Knecht mit einem Groschen losschickte und sagte: „Siehe da Gänsel, hast du einen 12er, geh den Fichtelberg hinauf, das ist das Vogtland durch und durch. Komm vor ein Städtlein namens Schleitz, geh hinein, kauf mir einen Kamm, einen Schwamm, einen Striegel, ein Strichtuch, trink einen guten Rausch und bring mir auch Geld zurück.“

    Aus der Schleizer Chronik von Johann  Friedrich Fröhlich 1816 (frei transkribiert von Ingo Möckel)

  • Dezember 2024

    Die Weihnachtsausstellung

                                                                                      

    Die letzte Woche vor Weihnachten war die schönste des Jahres, denn sie trug das Gepräge des Winters. Auf dem festgetretenen Schnee knirschte der Schritt, und die Räder des mit Weihnachts-paketen vollgepfropften gelben Postwagens heulten und sangen, wenn der schwerfällige Wagen die „Huche Gaß“ (Geraer Straße), und kreischten wild auf, wenn sie durch die dampfenden Postgäule die Oettersdorfer Höhe empor in Schwung gesetzt wurden. Das Mundstück des Posthorns gefror an den Lippen des Postillon–Schwagers, wenn er sei Liedlein zu schmettern begann. So war es gewöhnlich in der Weihnachtswoche. Man hätte sich ein Weihnachten ohne die verschneite Landschaft gar nicht denken können, dazu ein Weihnachtsfest, wie es von Ludwig Richter gezeichnet wurde. Mit dem unentbehrlichen Schlitten oder der ärmlichen „Käsehitsche“, den vermummten Kindern, das war ein Weihnachten echtester deutscher Art, ein poesievolles und fröhliches Fest. Damals waren die Grundzüge des Weihnachtsfestes, Schlichtheit und Zufriedenheit. Ein zappelnder Hampelmann für den dreijährigen Gustav machte mehr Spaß und Vergnügen als ein Schaukelpferd. Was schenken wir dem Kinde? Das ist heute eine brennende Frage, da das Kind immer das neuste vom neuen verlangt. Da ergreift die Alten unter uns ein wehes Gefühl, wenn sie jetzt zurückschauen auf die damals ganz andere geartete Welt, und das Heimatgefühl für die väterliche Scholle kommt zum elementaren Ausdruck.So wollen wir denn noch einmal durch die verschneiten Gassen der lieben Vaterstadt wandern und die Weihnachtsaustellung besuchen, die damals vom 1. Advent ab da und dort eröffnet wurden und die für uns Kinder eine Welt der Wunder darstellte. Zuerst gehen wir zu Meusels Edmund am alten Bassinplatz (Neumarkt), denn Meusels Edmund hat seit dem letzten Weihnachten die kompletteste Ausstellung in seinen im Parterre seines Hauses gelegenen Geschäftsräumen ins Leben gerufen, die auch großen Zuspruch hat. Obwohl in dem neben der Ladentür befindlichen in seiner Winzigkeit unauffälligen Schaufenster nur wenige Artikel zu sehen sind, so überrascht uns das Arrangement umso mehr, wenn wir in den ersten Ausstellungsraum treten. In der Mitte ist eine lange Tafel aufgestellt, auf der Edmund, der Spaßvogel und der Weihnachtsmann, seine hervorragendsten Festgaben aufgestapelt hat. Da ziehen die s schönsten Tusch und Baukasten unsre Augen an sich: der Laubsägebogen und der Laubsägekasten bringen unsere Wünsche ins Erwachen, und die interessantesten Modellierbögen, die Burgen, Schlösser, Bauerhäuser, das Lottospiel, das Schwarze-Peter-Kartenspiel und viele andere schlagen uns in den Bann, während wir zwischen den bunten „Münchner Bilderbögen“ und den ungetuschten „Fliegenden Blätter-Bilderbögen“ einen geistigen Wahlkampf führen. Hunderte von Festgaben sind herangezogen wurden, um den bescherenden Eltern eine bunte Auswahl zu bieten. Aber nicht nur in Spielsachen allein, bewahre, da ist Meusels Edmund ein viel zu gerissener Geschäftsmann, auch im Wirtschaftlichen. Gleich nebenan befindet sich ein zweiter Ausstellungsraum, in dem der Hausfrau beim Anblick der praktischen Sachen das Herz im Leibe lacht. Damit der Übergang geschaffen ist, hat er die Dinge so zusammengestellt, dass man die Ausstellung hätte nennen können: „Vom Spiel zur Praxis“. Kleine Kinderschaufeln, Eimerchen, Tässchen und Tellerchen bis hin zur Wirtschaftsschaufel, dem Scheuereimer, der Kaffeetasse und dem Suppenteller. Es ist bei Meusels Edmund in den Weihnachtswochen immer ein wahrer Kaufhausrummel, und Edmund, der mittelgroße breitschultrige Herr mit dem großen runden Kopf und dem bartlosen Gesicht, in dem der Mund von dem vielen Sprechen lustig in die Breite geht, nickt und sagt lachend: „Immer rein, wer Kopf und Bäne hat, es ist ja kein Kaufzwang! Und ihr Kinder: nichts angreifen!“ Wir sind eine halbe Stunde mit dem Anschauen und Bewundern beschäftigt und verabschieden uns….So denkt und plant man und schmiedet Pläne, als es zu Bette geht. Die Welt hatte ihren Vorhang aufgetan und des Kindes Seele mit Sehnsucht ausgeschmückt. Der Traumgott steigt hernieder und erfüllt sie in weit schöneren Maße als in Wirklichkeit.

    Gefunden im Stadtarchiv Schleiz von Ingo Möckel

    Foto: Familiengruppe Meusel, Neumarkt Schleiz

  • September 2024

    Schleizer Familien-Riedel (Café Ried'l)

    Die Familie Riedel (Rüdel, Rüthel, Rudell) ist in Schleiz alteingesessen. Schon 1518 erscheint ein Hans Rudell als Zeuge, 1520 werden die Witwe Katharina des verstorbenen Michael Rudell und dessen Sohn genannt, und von 1519-1524 ist ein Erhard Rudell nachweisbar. Auch in der näheren Umgebung treten sie häufiger auf, so in Saalburg, Oschitz, Görkwitz, Plothen, Pörmitz u. a. O. Schon im 17. Jahrhundert sind sie in Schleiz Angehörige der Bäckerzunft, der sie bis in die neueste Zeit treu geblieben sind, wenn auch in dieser Zeit ein Tuchmacher Riedel in Schleiz auftritt. Ein Zweig hat sich im 18. Jahrhundert der Weißbäckerei oder wie wir heute sagen, der Konditorei zugewandt, und dieser Zweig hat in seinem Namen das „e“ der zweiten Silbe weggelassen und schreibt sich Ried´l. Dieser Zweig ist erst seit etwa 1644 in Schleiz angesessen und aus Lauterbach bei Oelsnitz i. B. eingewandert. Auch in dieser Gegend sind die Riedel alteingesessen. Ein Nickel Rudel aus Oelsnitz wird 1532 Diener auf Lebenszeit bei dem Kurfürsten Johann Friedrich zu Sachsen, 1540 verunglückt ein Bürger gleichen Namens bei einem Stadtbrand, 1535 werden die Gebrüder Hans und Nickel Rudel in Oelsnitz vom Amte Vogtsberg als Musterschreiber und Unterhauptmann für den Kriegsfall vorgeschlagen; 1471 erscheint ein Bürger Nickel Rudel im nahen Eger. Anfang des 17. Jahrhunderts lebte in Lauterbach bei Oelsnitz ein Zimmermann Paul Rüdel, dessen Sohn Michael das Bäckerhandwerk erlernt hatte und auf seiner Wanderschaft nach Schleiz kam. Hier verheiratete er sich am 7. Mai 1644 mit Maria, der Tochter des Just Knoch in Pahnstangen. Er starb hier 1683; sein nachgelassener, am 11. Mai 1656 geborener gleichnamiger Sohn war ebenfalls Bäcker und verheiratete sich am 4. September 1684 mit der Tochter des Lohgerbers Nikol Carol, Anna Maria. Er wird schon Weißbäcker genannt und stirbt 1722, seine Witwe 1743. Sein Sohn Johann Tobias, geboren am 20 Oktober 1689, folgte ebenfalls dem Beruf des Vaters. Auf seiner Wanderschaft kommt er bis nach Thorn, wo er sich niederlässt und am 30. Januar 1713 Mitglied der Thorner Bäckergesellenbrüderschaft wird. Wahrscheinlich hat er sich dort auch verheiratet. Er ist Lebküchler und zugleich königlich preußischer Wachtmeister. Sein jüngster Sohn Johann Jakob der Begründer der Schleizer Konditoren Familie. Johann Tobias kehrt Anfang der 60er Jahre des 18. Jahrhunderts in seine Vaterstadt zurück und kauft von hier aus 1763 den herrschaftlichen Gasthof „Zum Löwen“ in Ebersdorf. Da ihn aber seine Verwandten, mit der versprochenen Hilfe im Stich lassen, ist er nicht in der Lage, die eingegangenen geldlichen Verpflichtungen zu erfüllen, und er muss ihn schon nach einem halben Jahre wieder verkaufen. Johann Jakob Riedel, geboren 1730 wahrscheinlich in Thorn, wurde der Begründer der Schleizer Lebkuchenfabrikation, obgleich schon 1610 ein Pfefferküchler Christoph Meyer hier genannt wird. Auf Befehl des Landesherrn musste 1704 die Weißbäckerinnung Jakob Johann Riedel gegen Zahlung von 10 Gulden aufnehmen, nahm ihm aber das Versprechen in ihre Innung ab, „weiter nichts als seine Lebkuchen zu backen“. In demselben Jahr noch wurde er Bürger der Stadt und zehn Jahre später Meister. Am 31. Januar 1765 verheiratete er sich mit der Tochter Anna Eva des Fleischermeisters Friedrich Gebhardt in Remptendorf. Trotz scharfer Konkurrenz wusste er sich zu behaupten und war bald ein ständiger und gesuchter Gast auf den Jahrmärkten der engeren und weiteren Umgebung, eine Gewohnheit, der auch seine Nachkommen bis Anfang des 20. Jahrhunderts treu blieben. Daneben aber trieb er auch Landwirtschaft und vergrößerte seinen Besitz durch Ankauf einer Scheune am Oschitzer Tor und mehrerer Feldgrundstücke. Zur Vergrößerung des Geschäfts bot sich 1777 eine passende Gelegenheit. Von Gerichts wegen wurde das Haus des Weißbäckers Prasser am Stadtleich verkauft. Johann Jakob Riedel erwarb es für 920 alte Schock und hatte damit einen sehr günstigen Kauf gemacht, denn an Stelle des Stadtteiches entstand im Laufe des nächsten Jahrhunderts ein großer, verkehrsreicher Platz, der heutige Neumarkt, so dass die Konditorei eine vorzügliche Geschäftslage erhielt. In den Kaufpreis des Hauses waren auch die Braugeräte miteingeschlossen, und der Käufer übte nicht nur das auf dem Hause liegende Braurecht, sondern auch das Schankrecht aus, unterstützt non seinem zweiten, 1769 geborenen Sohn Johann Christian, der ebenfalls das Handwerk des Vaters gelernt hatte. Sein erster Sohn, geboren 1765, war im zarten Alter verstorben. Johann Christian Riedel holte sich ebenfalls eine Frau aus Remptendorf; am 27. November 1808 verheiratete er sich mit Christiane Kuhnla, die ihm 2 Töchter und einen Sohn schenkte. Die beiden Töchter starben im zarten Alter, und ihnen folgte die Mutter 1815, erst 38 Jahre alt. Johann Christian verheiratete sich 1816 zum zweiten Male mit der Witwe Susanne Barbara Heinrica Knoch geb. Neumeister in Unterkoskau. Nur 8 Jahre konnte er das Eheglück genießen; am 2. Dezember 1827 starb er; sein Vater Johann Jakob überlebte ihn noch über 2 Jahre; er starb am 30. März 1827 in dem gesegneten Alter von 96 Jahren. Johann Christian hatte, wahrscheinlich zum Unterschied von den zahlreichen Gliedern der Bäckerfamilie Riedel, die Schreibweise Ried´l eingeführt. Der einzige Sohn Jakob Christian, führte Beruf und Geschäft weiter, dem er dadurch einen neuen Aufschwung zu geben wusste, dass er die Branntweinbrennerei auf eine Höhe brachte, so Dass Riedl´s Schnäpse einen besonderen Vorzug genossen. Er verheiratete sich 1832 mit Henriette Wilhelmine Wolfram, der Tochter des Senators und Ratsbaumeisters Heinrich Gottfried Wolfram, und nach deren frühem Tode mit der Tochter Juliane Luise des verstorbenen Posamentierers Christian Friedrich Gigling. Jakob Christian Ried´l starb im Alter von 40 Jahren am 2. Juli 1849. Den beiden Ehen waren 3 Söhne entsprossen, von denen der älteste Sohn, Karl Heinrich das Geschäft weiterführte. Nachdem sein Vater schon das Unglück hatte, dass das Haus ein Opfer des großen Stadtbrandes am 3. Juli 1837 wurde, musste er erleben, dass es in dem Brande von 1836 wieder in Schutt und Asche sank. Nunmehr erstand das Haus durch den Maurermeister Ludwig in Möschlitz und den Zimmermeister Militzer in Schleiz so, wie wir es heute sehen. Karl Heinrich Ried'l verheiratete sich am 24. August mit Luise Pauline Heeg. Aus der Lebküchlerei war inzwischen eine Konditorei entstanden, dem Bier- und Schnapsschank eine Kaffeestube angegliedert worden. Seine beiden Söhne, Richard Wilhelm und Karl Hermann, erlernten beide die Konditorei. Ersterer aber kaufte später die von Saalburg nach Schleiz verlegte Destillation von Rottler und führte sie weiter. Er wurde daher zum Unterschied von der gleichnamigen Familie kurz der „Rottler-Ried'l“ genannt. Da aus seiner Ehe mit Luise Karoline Weißker kein Sohn hervorging, starb diese Linie mit seinem durch Unfall erfolgten Tode am 19. November 1929 männlicherseits aus. Der ältere Bruder Karl Hermann, geboren am 8. Juni 1860, führte das väterliche Geschäft fort und vergrößerte es; durch Ausbau der unteren Räumlichkeiten entstand aus der Kaffeestube ein der damaligen Zeit entsprechendes Kaffee. Er erhielt vom Fürsten Reuß j. L. den Titel eines Hoflieferanten. Aus seiner Ehe mit Hedwig Anna Meyer, der Tochter des letzten Schleizer Schwarzfärbers, entspross außer einer im jugendlichen Alter verstorbenen Tochter ein Sohn, der auch Karl Hermann heißt, das Geschäft nach dem Tode seines am 26. November 1913 verstorbenen Vaters übernahm. Dem Zuge der Zeit folgend, schuf er ein modernes, allen Anforderungen der Neuzeit gewachsenes Kaffee, indem er 1922 die unteren Räume ausbaute und erweiterte und 1927 das erste Stockwerk noch dazu einrichtete. Die Landwirtschaft, die seine Vorfahren neben dem Geschäft noch trieben, gab er auf. Sein jüngster Sohn aus der Ehe mit Anna Frieda Peip aus Unterkoskau (gest.1932, Heinrich Wilhelm Ferdinand, steht bereits im alten Beruf der Familie, so dass sie menschlicher Voraussicht nach in der 10. Generation dem gleichen Handwerk dient.                                                                                                                    Robert Hänsel

     

     

    Gefunden im Stadtarchiv Schleiz im Reussischen Anzeiger 1932 von Ingo Möckel

  • Juni 2024

    Willkommen

    Willkommen auf der Archivseite der Stadt Schleiz. Hier finden Sie die Fotosammlung der Photographenfamilie Körner-Schilling. Mit viel Aufwand, von der Bergung über die Reinigung bis hin zur Digitalisierung, wurden die Glasnegative für die Öffentlichkeit zu einem gängigen Medium gemacht. Wir freuen uns das Endergebnis jetzt auf unserer Website vorstellen zu dürfen. Die Fotos beinhalten mehr als ein halbes Jahrhundert Stadtgeschichte. Es werden Portraitaufnahmen, Schleiz und Umgebung, große Bauprojekte und das alltägliche Leben von um 1900-1960 zu sehen sein. Täglich kommen Neuigkeiten dazu, da unsere Datenbank stätig aktualisiert wird. Bei jedem Bild ist eine Kommentarfunktion (Feedback) verfügbar, in der Sie uns etwaige Fehler und Ergänzungen mitteilen können. Wir freuen uns auf Ihre Hinweise. Es wird auch die Möglichkeit geben, Bilder in digitaler Form für nichtkommerzielle Zwecke im Rahmen der Gebührenverordnung der Stadt Schleiz zu erwerben. Für etwaige Fragen stehen wir jederzeit zur Verfügung unter: archiv(at)schleiz.de                                                             

    Bitte beachten Sie, dass Bilder unter Lizenzschutz stehen.

  • Juni 2024

    Zum 100. Jubiläum der Berthold-Schmidt-Straße

    Dr. Berthold Schmidt †

    Am 11. Mai 1929 starb in Schleiz der Altmeister der reußischen und vogtländischen Geschichtsforschung. Geheimer Archivrat Dr. Berthold Schmidt. Mit ihm ist ein Mann dahingegangen, dessen ganzes Lebenswerk der Heimat und ihrer Geschichte galt, dessen Arbeiten das Dunkel gelichtet haben, das über der Frühgeschichte unseres Reußen- und Vogtlandes lag. Ohne die Werke Berthold Schmidts ist ein Studium und Arbeiten in unserer Heilsgeschichte undenkbar. Geboren am 12. Januar 1856 in Ivenack, besuchte er das Gymnasium zu Wismar und studierte von 1877—1881 in Leipzig, Berlin und Jena Philologie und Geschichte. Sein Studium führte ihn auf die reußische Geschichte, in der trotz der Arbeiten des Grafen Heinrichs XXVI. Reuß Ebersdorf nicht nur Unklarheit, sondern ein Dunkel herrschte, das durch einen Wust falscher und erdachter Nachrichten noch verstärkt wurde; es auf Grund wissenschaftlicher Arbeit zu durchdringen und zu durchleuchten, machte Berthold Schmitdt sich zur Aufgabe, und er hat sie vortrefflich gelöst. Schon sein Vortrag auf der Generalversammlung des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde 1883 in Gera über „Kritik zur Geschichte der Ahnen des Reußischen Hauses“ und noch mehr seine Doktorarbeit in demselben Jahre über „Arnold von Quedlinburg und die ältesten Nachrichten Hauses“ wirkten bahnbrechend. Keiner war geeigneter, die Bearbeitung des vogtländischen Urkundenbuches in die Hand zu nehmen, die ihm der Verein 1883 übertrug, und das 1885 und 1892 in zwei Bänden als unentbehrliche, zuverlässige Grundlage für alle Arbeiten in der reußischen und vogtländischen Geschichte erschien. Im Jahre 1884 berief ihn Fürst Heinrich XIV. als Archivar nach Schleiz, ernannte ihn 1898 zum Archivrat und Fürst Heinrich XXVII. 1918 zum Geheimen Archivrat. Hier in den abgelegenen stillen Räumen des Fürstlichen Hausarchivs entstanden alle die Arbeiten, durch die erst eine reußische Geschichtsforschung im strengen Sinne geschaffen wurde, und die dem Namen Berthold Schmidts in der deutschen Geschichtswissenschaft einen guten Klang gegeben. Aus der großen Fülle weit über 100 von Veröffentlichungen zur Landes-, Familien- und Ortsgeschichte, Münz-, Wappen- und Siegelgeschichte, sei nur auf einige hingewiesen. Die Krone aller seiner Werke ist die 1903 erschienene Genealogie des Gesamthauses Reuß „Die Reußen“, der sich weitere Arbeiten zur Geschichte des Fürstenhauses anschlossen. Mit Karl Knab gab er die „Reußische Münzgeschichte“ heraus. Zahlreich sind die von ihm bearbeiteten Familiengeschichten, unter denen die des Geschlechts v. Malzan und Maltzahn in erster Linie zu nennen ist. Ein Muster für alle Ortsgeschichten ist seine dreibändige „Geschichte der Stadt Schleiz“. Seine letzte größere Arbeit war die „Geschichte des Reußenlandes“. Eine Anzahl Arbeiten führen ihn in die Geschichte seiner Heimat. Auch in der Poesie hat sich Berthold Schmidt mit Erfolg versucht, und sein historisches Schauspiel „Der Stadtschreiber von Schleiz“ fand bei seiner Aufführung durch das Fürstliche Hoftheater ungeteilten Beifall. Seine fleißigen, grundlegenden Arbeiten brachten ihm auch Anerkennung und Ehrungen; zahlreiche Ordensauszeichnungen wurden ihm zuteil, die vogtländischen altertumsforschenden Vereine in Hohenleuben, Schleiz, Greiz, Weida und Plauen ernannten ihn zum Ehrenmitglied. Die Stadt Schleiz benannte eine Straße nach seinem Namen. Die Stadt Schleiz ehrte Schmidt zu seinem 40-jährigen Dienstjubiläum, mit der Benennung einer Straße. 

    Gefunden im Stadtarchiv Schleiz von Ingo Möckel in „Oberland“ 1930 Seite 55 

    Foto: Hofphotograph Heinrich Körner

  • Mai 2024

    Kriegsschaden Schlossbrand vom 8. April 1945

    Kriegsschaden Schlossbrand vom 8. April 1945-Polizeiliche Ermittlungen und Verhandlungsprotokolle von 6. Juni 1945 mit Zeugenaussagen       

    Betreff: Kriegsschaden Alfred M. -Landwirtschaftrat- in Schleiz - Bericht zum Beschluss vom 2. Juni 1945 -Oberbürgermeister - Es wurden vernommen 1. Frau H., deren Tochter Herta beide wohnhaft Schleiz 3. Hauswart – Schlossverwalter- L. und dessen Ehefrau wohnhaft in Schleiz Schloss. 4. Angestellter Martin S. wohnhaft in Schleiz Hindenburgstraße

    Sämtliche Zeugen sagen übereinstimmend aus, dass der Bombenangriff lediglich den rechten Teil des Schlosses zerstört hat und das Feuer dadurch nicht entstanden ist. Diese wurde vielmehr entfacht durch die im linken Flügel befindliche Küche, in der das Essen für die Wehrmachtsformation „Feldherrnhalle“ zubereitet worden ist. Die Kochfrauen haben das Feuer morgens in der Zeit von 7 bis 8 Uhr angelegt und etwa um 10 Uhr nachgelegt, damit die Mannschaft, wie üblich, um 12 Uhr essen kann. Dadurch, dass das Feuer im Herde brannte und besonders dadurch, dass es nach dem Bombenangriff, d.h. also gegen 10 Uhr angeschürt wurde, ist nach übereinstimmender Ansicht aller Zeugen das Schadenfeuer entstanden. Der Ausbruch des Brandes war nicht zu vermeiden, nachdem sich Holzbalken und sonstiges leicht brennbares Gerümpel über den Schornstein gelegt hatten und dieses dem im Herde befindlichen Feuer willkommene Nahrung bot. Ein Löschen dieses Feuers sei - nach Ansicht des Zeugen L.- unmöglich gewesen, da es an Wasser mangelte und im Übrigen die durch den Terrorangriff Verwundeten geborgen werden mussten. Ergänzend sei bemerkt, dass der Zeuge L. weiß, dass Feuer Tag für Tag morgens 7 bis 8 Uhr angemacht worden ist. Ob die Kochfrauen gegen 10 Uhr nachgelegt haben, entzieht sich seiner Kenntnis. Frau L. dagegen gibt mit Bestimmtheit an, dass gegen 10 Uhr nachgelegt wurde. Die Zeugen H. und S. können sich über diesen Punkt nicht auslassen. Anmerkungen der Polizei: Nach der Lage des Falles steht einwandfrei fest, dass der Verlust, dem den der Landwirtschaftsrat M. geltend macht, ein Kriegsschaden im Sinne der einschlägigen Bestimmungen nicht ist. Es ist sogar der ursächliche Zusammenhang zwischen Bombenangriff und Schaden zu verneinen, da der linke Flügel nach übereinstimmender Aussage aller Zeugen vom Angriff verschont gewesen ist. Es sind dort lediglich 2 Bomben niedergegangen, die einen Schaden nicht verursacht haben, insbesondere ist ein Feuer dadurch nicht entfacht. Übereinstimmend mit dem Bericht vom 1. Juni 1945 wäre der Schaden somit zu verneinen. Zuständig der Regelung derselben ist vielmehr die Privatversicherung. Ob und inwieweit Dritten eine strafrechtliche Handlung durch die Entstehung des Schadenfeuers vorgeworfen werden kann, ist nach dem bisher ermittelten Tatbestand nicht zu entscheiden. Es fragt sich 1. ob die Kochfrauen oder andere unter Beachtung aller Umstände und aller ihnen zuzumutenden Einsicht und Sorgfaltspflicht verpflichtet waren, dass morgen zwischen 7 und 8 Uhr angemachte Feuer während des Bombenangriffes zu löschen, 2. ob die Kochfrauen unter Beachtung 1. aufgeführten Umstände fahrlässig –bewusst oder unbewusst- gehandelt haben, als sie das Feuer nach dem Bombenangriff angeschürt haben und ob inwieweit Dritte, z.B. der Hauswart, verpflichtet gewesen wäre, das Anfachen, bzw. das Anschüren des Feuers durch die Kochfrauen zu unterbinden. Zu einer Entschließung über die Schuldfrage könnte man nur dann gelangen, wenn Gelegenheit bestände, die Kochfrauen - es werden 3 bis 6 Personen genannt- zu verhören. Dies ist an Ort und Stelle nicht möglich, da diese bei der Formation „Feldherrnhalle“ bedienstet waren und mit dieser fortgezogen sind. 

    Schreiben der Thüringische Landesbrandversicherungsanstalt in Gotha -Vorstand-

    Wie mein mit den Ermittlungen in der Schadenssache beauftragter Beamter festgestellt hat, ist der Brand des Schlosses in Schleiz am 8. April 1945 zwar erst nach 3 Stunden nach dem Fliegerangriff zum Ausbruch gekommen, jedoch besteht kein Zweifel, dass die Ursache des Brandes nur auf die Zerstörung zurückzuführen ist, die dem Schloss durch den vorhergehenden Bombenangriff davon getragen hatte. Wie die Zeugenaussagen ergeben, hat sich der Brand im rechten Schlossflügel entwickelt, und zwar in der früheren Hof Küche, in der Nähe der vor dem Angriff dort stehenden Herde. Dass dieser Teil des Schlosses durch mehrere Bombentreffer stark beschädigt wurde, ist ebenfalls von Zeugenaussagen gestützt. Es steht danach fest, dass der Brand ursächlich mit dem Kriegsgeschehen unmittelbar zusammenhängt. Demgegenüber ist der Umstand, dass das Feuer erst nach 3 Stunden bemerkt wurde, ohne Bedeutung für die Beurteilung der Rechtslage. Die Anstalt haftet nicht für Schaden, die mit Kriegsereignissen unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang stehen; ich bedauere daher außerordentlich, Ihren Ersatzanspruch nicht berücksichtigen zu können, stelle Ihnen vielmehr anheim, Ihren Schaden erneut beim Kriegsschädenamt geltend zu machen.

    Gefunden im Stadtarchiv Schleiz in Akte C-2-8-491 von Ingo Möckel

    Foto: Schlossruine (Wache) Foto-Schilling Schleiz

  • Februar 2024

    Der Schleizer Schülersingchor und der Heimatlose

    ´s ist ein stiller Sonntagmorgen. Auf der Agnesstraße schlurft ein in hohlklingendem, wenig sonntäglich ausschauendem Schuhwerke ein von der Herberge oder „Mutter Grün“ kommender ergrauter Ritter von der Landstraße gemächlich dahin. Plötzlich hemmt er seine Schritte. Eine frohe Schar von etwa vierzig buntbemützten Schülern im Alter von neun bis neunzehn Jahren marschiert flink heran und nimmt etwa vor der damaligen Weiskerschen Hofkonditorei im Halbkreise Aufstellung. Es ist der Schülersingchor. Der Präfekt in weißer Schülermütze winkt zur Ruhe und gibt einen Ton an, das mittlere Fis.- „Wenn ich den Wandrer frage: Wo kommst du her? Von Hause, von Hause, spricht er und seufzt schwer“, erklang es unmittelbar darauf aus den hellen, jugendfrischen Kehlen. Auf die Frage nach dem Wohin? antwortet bekanntlich in der zweiten Strophe heiter und zufrieden der Landmann: „Nach Hause“. Wo sein Glück blüht, will der Dichter vom Freund wissen. „Zu Hause, spricht er mit frohem Blick.“ Zuletzt erzählt der Dichter, man habe ihn selbst gefragt: „Was quält dich sehr?“. Seine Antwort ist: „Ich kann nicht nach Hause, hab´ keine Heimat mehr.“ Dem seltsamen Gesellen im zerschlissenen Gewand, der dem Gesange vom Anfang bis zum Ende andächtig gefolgt war, waren offenbar die letzten Sätze schwer aufs Gemüt gefallen. Gesenkten Hauptes stapft er weiter und bog um die Leichenrings Ecke. Der damalige Kantor, der aus einiger Entfernung seine Sänger kontrolliert und auch den alten Wanderbursch beobachtet hatte, ging ihm unauffällig nach und sah, wie dieser an der Hauswand lehnte, sein arg verbrauchtes Schnäuztüchlein aus der Tasche holte und lange damit beschäftigt war, die Zähren aus seinem verwitterten Angesichte und seinem verwilderten, struppigen Barte zu wischen. Vielleicht war er rechtschaffener Leute Kind gewesen, hatte der Heimat frühzeitig den Rücken gekehrt, die Lust zur Arbeit und damit den Boden unter den Füßen verloren, war in schlechte Gesellschaft geraten, von Stufe zu Stufe gesunken. Nun ist er ein alter verachteter Vagabund, kann nicht nach Hause, ist ein bemitleidenswerter Heimatloser…       Lggpl.                                   

     

    Gefunden im Stadtarchiv Schleiz im „Reußischen Erzähler“ 1925 von Ingo Möckel

    abrufbar unter: 

    dana.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/dana_derivate_00015591/Stadtarchiv_Schleiz_4129.tif

  • Dezember 2023

     Schleizer Pfefferkuchen

                                                     Schleizer Pfefferkuchen

    Pfefferkuchen! Welches Kinderherz schlägt da nicht höher? Klingt der Name nicht weihnachtlich? Oder gibt es einen Weihnachtstisch ohne Pfeffer- oder Lebkuchen? Sie gehören wie die Äpfel und Nüsse seit alters zum „bunten Teller“ auf dem Gabentisch unterm Weihnachtsbaum. Wie kommt aber das wohlschmeckende Backwerk aus Mehl und Hönig oder Zucker oder Sirup, vermischt mit verschiedenen Gewürzen, Mandeln usw. zu diesem Namen, den es seit Jahrhunderten führt? Mit den Früchten des Pfefferbaums, die als Gewürz im Haushalt wie im Nahrungsmittelgewerbe vielfach Verwendung finden, hat der Name Pfefferkuchen nichts zu tun. „Pfeffern“ nennt man in Süddeutschland einen alten Volksbrauch, der besonders am 26. Dezember, dem St. Stephanstag, geübt wurde. Der Tag heißt daher der Pfefferleinstag. Das Pfeffern bestand darin, dass die Kinder die Eltern, die Eltern die Kinder, Mädchen die Burschen oder umgekehrt im Bett überraschten und mit Zweigen vom Wacholder oder Eberesche (Vogelbeerbaum) leicht schlugen. Wacholder und Eberesche galten als kraftverleihende Lebenserfrischer, und die Zweige nannte man daher Lebensruten. Als Geschenke für das „Pfeffern“ wurden in kunstvolle Holzformen gepresste Kuchen gegeben, die Männer und Frauen darstellten und Pfeffer- und Lebkuchen genannt wurden. Auch unsere Jungen kennen den Ausdruck „pfeffern“ für schlagen, und gar oft kann man in ihren Erzählungen hören, dass sie einem anderen im Streit „eine reingepfeffert“ haben. Als Städte, in denen die Leb- oder Pfefferkuchenbäckerei oder –küchlerei schon seit alters blüht, gelten Nürnberg, Basel, Ulm, Metz, Braunschweig, Danzig Thorn u.a. Aber auch sonst wurden überall in den Städten Pfefferkuchen gebacken, und auf den Schleizer Märkten waren es besonders die Bäckermeister aus Tanna und Saalburg, die ihre Lebkuchen feilhielten. Da aber den Schleizer Meistern dasselbe Geschäft auf den dortigen Märkten untersagt, ihnen dort sogar ihre Ware weggenommen wurde, so bestimmten die Artikel der Weißbäcker Innung zu Schleiz im Jahre 1728, dass auch hier nur die Schleizer Meister berechtigt waren, mit „Schleizer und anderen schlechten Pfefferkuchen“ zu handeln. Wenn sie aber damit handeln konnten, war ihnen auch das Recht der Herstellung gegeben. Gleichzeitig wurde ihnen aber verboten, andere Märkte mit ihren Waren zu besuchen. Außer den Bäckermeistern hatte nur die Apotheke das Recht, mit Pfefferkuchen zu handeln, aber nicht mit hier hergestellten, sondern mit Nürnberger. Dieses Recht hatte sie 1625 erhalten. Auch nach Gründung der Kramer Innung 1763 blieb die Apotheke das alleinige Recht des Handels mit Nürnberger Pfefferkuchen. Der Vorrang dieser bestand in dem Geheimnis, den Kuchen eine besondere Schmackhaftigkeit und einen schönen äußerlichen Glanz zu verleihen. Im Gegensatz zu ihnen waren die Lebkuchen anderer Städte, also auch die Schleizer, nur aus braunen Mehl hergestellt und trugen keinen Glanz. Sie wurden daher zum Unterschied von den berühmten Nürnbergern „schlechte“ das heißt schlichte, einfache Pfefferkuchen genannt. Neben Nürnberg war es u.a. die Stadt Thorn, die durch ihre Pfefferkuchenbäckerei seit alters her einen Ruf hatte. Aus dieser Stadt wanderte 1764 Jacob Riedel in Schleiz ein und erwarb sich als Lebküchler das Meisterrecht bei der Weißbäcker Innung. Als zehn Jahre später Johann Jacob Riedel das Meisterrecht erwarb, musste er versprechen, „weiter nichts zu backen als seine Lebkuchen.“ Er wurde der eigentliche Gründer der Schleizer Lebkuchenbäckerei. Durch sein der Nürnberger Pfefferkuchen an die Seite zu stellendes Gebäck begründete er den Ruf der Schleizer Lebkuchen in der weiten Umgebung. Da in Schleiz selbst der Absatz zu gering war, besuchte er die Märkte der umliegenden Städte und der weiteren Umgebung, und die Schleizer Pfefferkuchenbude war überall eine der beliebtesten Verkaufsstände. Bald erwarben auch andere Lebküchler die Erlaubnis zum Betrieb ihres Gewerbes in Schleiz, und beim Tode Johann Jakob Riedel´s (er schrieb sich in den späteren Jahren Ried´l) gab es in Schleiz bereits 3 Lebküchler. So konnte es nicht ausbleiben, dass sich die Lebküchler, oder wie wir heute nennen, Konditoren, bald als eigenes Handwerk fühlten, das seine Rechte den Bäckern gegenüber wahrzunehmen wussten, falls diese auch dazu übergehen wollten, andere als „schlechte“ Pfefferkuchen zu backen. Sie haben auch dafür gesorgt, dass die Schleizer Pfefferkuchen bis heute ihren guten Ruf und ihre Beliebtheit erhalten haben, sodass sie weiterhin versandt werden.  Gefunden im Stadtarchiv Schleiz in „Oberland Nr. 15 

     

     Foto: Cafe Ried´l Neumarkt abrufbar unter:                                                                                     

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  • Oktober 2023

    Die Quetsche  

    Am unteren Ende des Schleizer Schwimmbades liegt der Rest einer alten Mühle, die seit 1947 zum großen Teil erneuert und mit einem schönen Giebel versehen wurde. Über drei Jahrhunderte sind über die alte Mühle dahingegangen. Im Jahre 1622 wurde sie als Schleifmühle für die Beil- und Waffenschmiede der Stadt Schleiz von der Herrschaft am Oelsbach in nächster Nähe der Pfeffer-, später Neumühle, errichtet. Sie erhielt ihr Wasser aus dem mittleren Küchenteich, was ein großer Schaden für die Pfeffermühle war und zu häufigen Streitigkeiten führte. Diese erhielt zwar ihr Wasser aus dem unteren Küchenteich, musste aber in wasserarmen Zeiten auf den mittleren zurückgreifen. Die Schleifmühle kam bald in Betrieb; in den Jahren 1622/23 wurden in ihr durch die Waffenschmiede Wilke und Rothermund 1644 Waffen geschliffen; der Schleiflohn betrug für jedes Stück zwei Pfennige. Die Verwaltung der Mühle hatte der Herrenmüller, dem dafür der dritte Teil der Einnahmen zustand, den er aber auch bei den Ausgaben zu tragen hatte. Die Bau- und größeren Anschaffungskosten trug die Herrschaft. Der Schleifschlamm wurde von den Schwarzfärbern der Stadt, sowie in Weida, Saalburg, Gera, Gefell, Mühltroff und Lobenstein gekauft. Außer Waffen wurden auch die vom Königsberg gewonnenen Wetzsteine geschliffen. Im Jahre 1647 wurde die Schleifmühle in eine Pulvermühle verwandelt drei Jahre später aber wieder als Schleifmühle eingerichtet, da sie sich nicht rentierte und wurde mit der Görkwitzer Schleifmühle verbunden Im Jahre 1684 pachtete der Pulvermacher Adolf Jakob Senger die Mühle und trieb wieder seinen Beruf darin, in dem er vier Jahre später tödlich verunglückte, „indem beim Pulverstoßen eine Entzündung entstand und er dermaßen beschädigt worden, dass er nach wenigen Tagen verstorben Später ging die Mühle in Privatbesitz über und war lange Zeit mit der Pfeffermühle in einer Hand, bis sie Johann Heinrich Bayerlein 1834 er warb, der die Konzession zum Papiermachen erhielt. Bald darauf aber richtete er eine Graupen-, Mahl- und Schleifmühle darin ein, kam aber in Zahlungsschwierigkeiten, so dass die Mühle 1845 zwangsweise verkauft wurde. Zuletzt wurde in ihr nur geschroten und Hafer gequetscht, wo durch sich im Volksmunde der Name „de Quetsch“ bis heute erhalten hat, trotzdem seit Jahrzehnten in ihr keine Arbeit mehr geleistet wurde und sie ihrem Verfall entgegenging, bis sie 1947 Fischhändler Paul Zörner erwarb, sie erneuerte und einen Teil seiner Fischzucht- und Kälteanlagen in sie einbaute. Seitdem wird sie auch wieder bewohnt und gereicht der dortigen Gegend zur Zierde.

     Robert Hänsel

     

    Bild abrufbar unter: archiv.schleiz.de/index.php

  • August 2023

    Der Pestmann in Schleiz und die Pestjungfrau in Posen

      

    In der Grabkapelle Heinrichs des Mittleren von Gera im Turmerdgeschoß unserer Bergkirche befindet sich der Grabstein für Hans von Kospoth (gestorben 1575), der früher in der Kospother Kapelle gestanden hat. Dieser hier in Stein gehauene Ritter ist unter dem Namen „Pestmann" bekannt, da er die Pest in Schleiz eingeschleppt haben soll, der in kurzer Zeit etwa 650 Bewohner zum Opfer fielen. Es wird erzählt, dass die Schullinder nach seinem Begräbnis in dem Leichenwagen mit vom Berg herunter nach der Stadt gefahren und die ganze Stadt angesteckt hätten. Brückners Landeskunde nennt unter den Gegenständen, die unsere Bergkirche sehenswert machen auch „das Steinbild des sogenannten Pestmannes Hans von Kospod, der 1575 die Pest aus Ungarn nach Schleiz zum Verderben für 700 Personen verpflanzt haben soll.“ Ähnliche Erzählungen und Sagen mögen in Deutschland überall anzutreffen sein. Häufiger als vom Pestmann erzählt die Sage von einer Pestjungfrau. Nach Knoop sind derartige Pestsagen besonders in der Provinz Posen ziemlich häufig. So hat die Stadt Posen auch ihre Pestjungfrau. Die Sage erzählt, dass einst in die Stadt ein Zigeuner mit einem Affen kam und auf den Straßen ihre Kunststücke zeigten. Als ein Zuschauer dem Affen ein Stück Brot geben wollte, nahm er es nicht an. Daraus schloss das Volk, dass die beiden die Niewiasta, die Pestjungfrau, mit sich führten, die mit Zigeunern und Bettlern zu wandern pflegte und ein furchtbares Gespenst gewesen sein soll. Wohin sie kam, richtete sie durch ihren Gifthauch unter den Menschen eine furchtbare Verheerung an. Deshalb stürzte sich jetzt das Volk auf den Zigeuner und den Affen und schlug beide nieder. Doch die Pestjungfrau, die auf dem Kopfe des Affen gesessen hatte, flüchtete sich schnell auf ein Dach und blies von dort aus ihren Gifthauch in die Straßen von Posen, sodass viele Bewohner der Stadt starben. Fährt man von Fielehne nach Rogasen, so führt die Bahn zwischen Güldenau und Ritschenwalde an einer Wiese vorbei, die Korboska (poln. kara boska- Strafe Gottes) genannt wird. Die Sage erzählt, dass in den Kämpfen der Schweden mit den Polen in einem schwedischen Lager auf dieser Wiese die Pest ausbrach. Der Feldherr wünschte nichts sehnlicher, als die verheerende Krankheit nach dem nahen schönen und großen Dorfe Polajewo geschleppt. Ein schwedisches Weib führt diesen Wunsch aus; sie besorgte in Polajewo Einkäufe und schleppte die Pest dort ein; fast der ganze Ort starb aus. Die wenig überlebenden Leute sahen dies als eine Strafe Gottes an und nannten die Wiese, von der das Unheil ausgegangen war, kara boska, und diesen Namen trägt sie heute noch.

    Reussischer Erzähler 22.Oktober 1910

     

    Bild abrufbar unter:

    dana.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/dana_derivate_00011470/Stadtarchiv_Schleiz_3564.tif

  • Mai 2023

    Das Straßendreieck von Schleiz

    Das Straßendreieck von Schleiz

     Im Anfang vorigen Jahres erfuhr die Bevölkerung von Schleiz plötzlich, dass der Name dieses kleinen bisher fast nur als Geburtsort des Porzellanerfinders Böttger und durch das originelle Gesangbuchslied „Greiz, Schleiz und Lobenstein, Gott schenk uns Regen und Sonnenschein…“ bekannten Thüringer Städtchens, ein der deutschen Sportswelt schon längst geläufiger Städtename ist. Eine Berliner Zeitung hatte damals angekündigt, dass ein Wettfahren für Kraftwagen und Motorräder auf dem „Straßendreieck bei Schleiz“ stattfinden sollte. Niemand in Schleiz wusste, was das für ein Straßendreieck war, niemand hatte davon auch nur gehört. Aber als dann im Juno 1923 das besagte Rennen kam – es handelte sich um die vom Allgemeinen Deutschen Automobilclub, E.V., Gau IIa Thüringen, veranstaltete ersten Brennstoffprüfung für Automobile und Motorräder – war jedemann schnell im Bilde. So wie es in der ganzen Welt nur ein Schleiz gibt – dass ist eine weitere Merkwürdigkeit des Städtchens, dass außer dem stattlichen Schlosse, der alten interessanten Bergkirche und seiner schönen, waldreichen Umgebung nur wenig Sehenswürdigkeiten aufzuweisen hat, so ist auch das Straßendreieck bei Schleiz etwas Einzigartiges – zum mindesten in Deutschland. Es ist eine ideale Fahrbahn für Hindernisrennen von Automobilen und Motorrädern, wie es weit und breit keine zweite gibt. Es umfasst die Straße noch Lobenstein und nach Hof bis Heinrichsruh, dann die Verkehrsverbindungsstraße (früher Prinzessinnenweg genannt) von dort nach der Plaunschen Straße und letztere bis wieder herein in die Stadt, wo sie sich von der ersten trennt. Diese 8 Kilometer lange dreieckige Strecke bietet zunächst einen breiten, soliden Fahrdamm, dann zum Teil sehr schöne schattige Linden- und Eichenalleen, gerade Linien, die leicht zu übersehen sind, kurze und lange, gelinde und starke Steigungen und vor allem drei schwierige Kurven bzw. Ecken, von denen der äußerst spitze Winkel der Gablung der Hof-Lobensteiner und der Plaunschen Straße bei Schleiz die schärfste und gefährlichste ist. Überdies führt die Strecke – und das macht sie so geeignet für Wettfahrten von Kraftfahrzeugen – durch keine Ortschaft, sodass sie ohne Schwierigkeiten abgesperrt und beaufsichtigt werden kann, denn bei dem Schlosse Heinrichsruh und bei Oberböhmsdorf streift sie nur einige wenige Häuser. Aus unserer Abbildung sind Lage und Höhenverhältnisse ersichtlich. Der Startplatz befindet sich an der Huster´schen Gastwirtschaft „Waidmannsruh“ (Sommerfrische) bei Oberböhmsdorf, bei Kilometerstein 2,2 (von Schleiz). Gefahren wird in der Richtung der Pfeile. Auch in diesem Jahre soll das Straßendreieck von Schleiz wieder den Schauplatz regen Sportlebens bilden. Am 15. Juni wird auf ihm die Deutsche Straßenmeisterschaft für Krafträder ausgefahren, ein Sportereignis, das man allerseits mit großer Spannung erwartet.                                                                                                        

    V.V.V.S.

    Gefunden im Stadtarchiv Schleiz in „Oberlandbote“ Nr.4/ 1924 von Ingo Möckel

    Skizze Oberlandbote Nr.4 1924   

  • Oktober 2022

    Die Erbauung der Heinrichstadt

      

    Von dem jetzt unter dem Namen: Heinrichstadt bestehenden Stadtteil standen zu Anfang des vorigen Jahrhunderts nur die Brunnengasse, welche wahrscheinlich im 17. Jahrhundert nach und nach entstanden ist, und ein Teil der Gartengasse; der übrige Teil der Gartengasse und die Feldgasse sind erst im Laufe des vorigen Jahrhunderts gebaut worden. Die Heinrichstadt im engeren Sinne, also der Stadtteil C mit Ausnahme der Brunnen-, Garten- und Feldgasse, hat ihren Anfang im Jahre 1708 genommen. Von diesem Jahre ab wurden auf herrschaftlichen Grund und Boden, wahrscheinlich einem mit dem Fasanengarten zusammenhängenden Baumgarten, nach und nach 70 Plätze Solchen unentgeltlich angewiesen, die sich Häuser bauen wollten. In der ersten Urkunde vom 1. Juni 1708, mittelst welcher einem Zimmermann Adam Trautmann ein Bauplatz verliehen wurde, heißt es. „Wir Heinrich XI. usw. Demnach wir zur Verbesserung Unserer Lande Unsere Stadt Schleiz über der sogenannten Brunnengasse mit einer neuen Stadt erweitern und dieselbe die Heinrich-Stadt benennen, auch jedem, der daselbst zu bauen gewillt, einen räumlichen Platz zur Baustädte ohne Entgeld anzuweisen entschlossen usw.“ Die solchen neuerbauten Häusern bewilligten Vergünstigungen und auferlegten Lasten haben mit Ausnahme der Braugerechtigkeit, welche auch demnächst zur Ablösung kommt, fast nur historisches Interesse. Das Trautmann´sche Haus ist das jetzt Zeidler-Hartmann´sche C 97 bei der Kastanie. In dem Jahre 1708 wurden außerdem noch 4 Plätze vergeben: an den Bäcker Hans Dürff, jetzt Nr. 86 (Bäcker Hagner), zu welchem im Jahre 1780 noch einen Platz zu einem Nebengebäude verliehen wurde, ferner an den Steiger Johann Christoph Müller, jetzt Nr. 92 (Fleischer Michael´s Erben), an den Hautboist Johann Benjamin Barth, jetzt 89 (Kanzlist Popp), und an Johannes Friedrich von der Oelsnitz auf Oberböhmsdorf, jetzt Nr.94 (Schieferdecker Köchel). Im darauffolgenden Jahre 1709 wurden abermals 5 Bauplätze vergeben und zwar an Nikol Pölmer, jetzt Nr. 98 (Schuhmacher Albert), an Komtesse von Ringsmaul und Hofmeister von Kospoth, jetzt Nr. 91 (Bäcker Riedel), an Michael Spindler welcher darauf den Gasthof zum Löwen erbaute, jetzt Nr. 125, an den Bergmann Hans Andreas Meinhold, Jetzt Nr. 99 (Witwe Böttcher) und den Kammsetzer Friedrich Schilling, jetzt Nr. 107 (Seyfert´s Erben). Im Jahr 1710 wurden 4 Bauplätze vergeben, und zwar an den Tuchmacher Rudolph, jetzt Nr. 90 (Tiersch und Böhme), an Johann Männel, jetzt Nr. 163 (Schnitthändler Zeidler), an den Reitknecht Matthes Männel, jetzt Nr. 162 (Peterlein und Kögler) und an den Kutscher Hans Keyser, jetzt Nr. 164 (Böttcher Körner). Ein Haus, jetzt Nr. 93 (Weber Kaiser) war in diesem Jahre von der Herrschaft erbaut und von dieser an den Kammerdiener Herold verkauft worden. Im Jahre 1711 wurde nur 1 Bauplatz an den Fuhrmann Dölz überwiesen, jetzt Nr. 161 (Strumpfwirker Schmidt). Dagegen im darauffolgenden Jahre wurden 6 Häuser gebaut: vom Ziegler Schein Nr. 157 (Schuhmacher Berger), vom Fleischer Werner Nr. 134 (Drogist Berner), vom Tischler Müller Nr. 135 (Amtskopist Franke), vom Maurer Franz Nr. 155 (Weber Mäder), seit 1759 im Besitz Mäder´schen Familie, vom Schuhmacher Bauer Nr. 115 (Hausknecht Elschner) und vom Hautboist Schmied Nr. 154 (Gebrüder Uebel). Im Jahre 1713 wurden 5 Bauplätze vergeben und Zwar an den Töpfer Görnitz, jetzt 2 Häuser Nr. 165 (Grimm) und Nr. 166 (Uebel), ferner an den Büchsenmacher Klingenhardt, jetzt Nr.150 (Buchdrucker Vogel), an den Zimmermann Bösewetter, jetzt Nr. 96 (Ensenbacher und Rosenmüller), an den Maurer Kroner, jetzt 2 Häuser Nr. 113 (Themel) und 114 (Lindstätter), endlich an den Zimmermann Trautmann, jetzt Nr. 160 (Strumpfwirker Söffing). Im Jahre 1715 wurden zwei Plätze an Dr. Leidenfrost überwiesen, zu denen im Jahr 1720 noch ein Platz verliehen wurde. Diese Plätze bilden das Haus Nr. 137 nebst 2 Gärten (jetzt Amtsmann Weisker´s Erben). Die nächsten Verleihungen kommen im Jahre 1719 vor, indem dem Ziegler Schein wieder zwei Plätze zugeteilt wurden, jetzt Nr. 156 (Weber Obenauf) und Nr. 147 (Fleischer Mack). Im Jahre 1721 erhielt Bergmann Dietzel einen Platz. jetzt Nr. 158 (Weber Golde), im Jahre 1725 Beilschmied Rothermundt uns Schneider Römer zusammen einen desgl., jetzt 2 Häuser, Nr. 105 (Witwe Wächter) und Nr. 106 (Sachs), sowie Leistenschneider Ebeling einen, jetzt Nr. 100 (Rudorf und Meinhold). Das Jahr 1728 weist 2 Neubauten auf: vom Kaufmann Neuhaus, Jetzt Nr. 136 (Kaufmann Frommhold), vom Weber Fischer, jetzt Nr. 159 (verehel. Rödel) und vom Blechschmied Rotermundt, jetzt in 2 Häuser Nr. 130 (Merz) und Nr. 131 (Leheis und Höfer) getrennt. Weiterhin wurden im Jahr 1732 ein Bauplatz gegeben an Knopfmacher Klemm und Margarethe Görner, auf dem jetzt 2 Häuser stehen: Nr. 117 (Tischler Sachs) und Nr. 118 (Witwe Fleißner). Im Jahre 1733 wurden gebaut: Nr. 132 (Witwe Püchel), Nr. 133 (Albert), Nr. 116 (Strumpfwirker Wenzel), im Jahre 1734 Nr. 102 (Handarbeiter Knoch), Nr. 101 (Bergmann Berger), Nr. 103 (Strupfwirker Endlich), Nr. 104 (verehel. Kraft) und Nr.153 (verehel. Schwabe), wahrscheinlich im Jahre 1735 Nr. 119 (Pöhlmann) und Nr. 120 (Zimmermann Diersch), im Jahre 1736 Nr. 126 (Körner und Fordtran), Nr. 127 (Witwe Schubert), Nr. 121 (Bläser) und Nr. 122 (Abigt), im Jahre 1737 Nr. 128 (Queck), Nr. 129 (Weber Köhler und Amtskopist Köhler), Nr. 111 (Witwe Schulz), Nr. 112 (Enk). Nr. 110 (Tilp) war ein schon früher erbautes Gartenhaus des Berggeschworenen Müller. Der nächste Neubau wurde erst nach einer Pause von 15 Jahren, im Jahre 1752, errichtet, und zwar das Haus Nr. 151 (Rudolph Und Renner). Nach anderweiten 13 Jahren, im Jahre 1765 wurden die Häuser Nr. 141 (Klempner Frank) und Nr. 142 (Oehler und Degel) erbaut, denen im Jahre 1775 noch ein Platz für Gärten hinzugefügt wurde. Hiernach wurde im Jahre 1768 wieder ein Platz vergeben, auf dem jetzt die Häuser Nr. 143 (Glaser Degel), und Nr. 144 (Schnepp und Kögler) stehen, und zu dem im Jahre 1782 noch ein zweiter Platz für Gärten verliehen wurde. Die Hälfte des Hauses Nr. 144 ist seit 1768 im Besitz der Schnepp´schen Familie. Ferner wurden gebaut: im Jahre 1769 die Häuser Nr. 145 (Dietsch und Obenauf), und Nr. 146 (Merz und Blechschmidt), im Jahre 1770 die Häuser Nr. 138 (Fleischer Göhring) und Nr. 152 (Weber Popp), nach 11 Jahren, im Jahre 1781 die Häuser Nr. 139 (Schlosser Völkel) und Nr.140 (Blechschmied Knoch), denen im Jahre 1782 noch ein Platz für Gärten verliehen wurde, und Nr. 1Plätze stehen zwei Häuser24 (Strumpfwirker Panzer), weiter im Jahre 1782 Nr. 123 (Uebelt und Knoch). Nun Kommt wieder eine Pause von 24 Jahren: im Jahre 1806 wurden nämlich die Häuser Nr. 149 (Zeidler) und Nr. 148 (Rauh und Tittel) gebaut. Die letzten Lücken wurden endlich im Jahre 1812, über hundert Jahre nach der Errichtung des ersten Hauses, ausgefüllt, indem damals dem Kutscher Heppertdietzel und dem Polizeidiener Wolfram ein Bauplatzgegeben wurde, auf dem jetzt die Häuser Nr. 87 (Sattler Oswald) und Nr. 88 (Maurer Lenzner) stehen. Mit wenigen Ausnahmen wurde bei Vergebung der Bauplätze das Recht erteilt, ein Gebräude Bier abzubrauen; aber auf manchen dieser Plätze stehen zwei Häuser. So kommt es denn, dass zur Zeit 3 Häuser im Besitz von mehr als 1 Gebräude, 49 im Besitz von je 1 Gebräude und 21 im Besitz von 0,5 Gebräude sind. Von 4 Häusern ist das Braurecht auf solche Häuser übertragen worden, welche nicht in der eigentlichen Heinrichstadt liegen.

     

    Gefunden im Schleizer Wochenblatt Nr. 102 1872 von Ingo Möckel Stadtarchiv Schleiz

    Foto abrufbar unter: 

    archiv.schleiz.de/index.php


    Heinrichstraße

    alte Nummer, Stadtteil C                        neue Nummer

    C 137                                                                    1

    C 136                                                                    2

    C 138                                                                    3

    C 135                                                                    4

    C 139                                                                    5

    C 134                                                                    6

    C 140                                                                    7

    C 133                                                                    8

    C 141                                                                    9

    C 132                                                                    10

    C 142                                                                    11

    C  131                                                                   12

    C 143                                                                    13

    C 130                                                                    14

    C 144                                                                    15

    C 129                                                                    16

    C 145                                                                    17

    C 128                                                                    18

    C 146                                                                    19

    C 127                                                                    20

    C 147                                                                    21

    C 126                                                                    22

    C 148                                                                    23

    C 98                                                                      24

    C 149                                                                    35

    C 91                                                                      26

    C 92                                                                      27

    C 90                                                                      28

    C 89                                                                      29

    C 88                                                                      31

    C 87                                                                      33


    Webergasse

    alte Nummer, Stadtteil C                         neue Nummer

    C 9a                                                                      1

    C 152                                                                    2

    C 158                                                                    3

    C 151                                                                    4

    C 154                                                                    5

    C 150                                                                    6

    C 155                                                                    7

    C 159                                                                    8

    C 156                                                                    9

    C 158                                                                    10

    C 157                                                                    11

    C 162                                                                    12

    C 160                                                                    13

    C 163                                                                    14

    C 161                                                                    15

    C 164                                                                    17

    C 165                                                                    19

    C 166                                                                    21


    Schuhgasse

    alte Nummer, Stadtteil C                         neue Nummer

    C 119                                                                    1

    C 118                                                                    2

    C 120                                                                    3

    C 117                                                                    4

    C 121                                                                    5

    C 116                                                                    6

    C 122                                                                    7

    C 115                                                                    8

    C 123                                                                    9

    C 114                                                                    10

    C 124                                                                    11

    C 118                                                                    12

    C 125                                                                    13


    Am Kastanienbaum

    alte Nummer, Stadtteil C                          neue Nummer

    C 96                                                                      1

    C 97                                                                      2

    C 98                                                                      3

    C 99                                                                      4

    C 100                                                                    5


    Gartengasse

    alte Nummer, Stadtteil C                         neue Nummer

    C 40                                                                      1

    C 39                                                                      2

    C 40                                                                      3

    C 41                                                                      4

    C 42                                                                      5

    C 43                                                                      6

    C 44                                                                      7

    C 45                                                                      8

    C 46                                                                      9

    C 48                                                                      10

    C 47                                                                      11

    C 51                                                                      12

    C 49                                                                      13

    C 53                                                                      14

    C 50                                                                      15

    C 55                                                                      16

    C 52                                                                      17

    C 59                                                                      18

    C 54                                                                      19

    C 60                                                                      20

    C 56                                                                      21

    C 63                                                                      22

    C 57                                                                      23

    C 58                                                                      25

    C 61                                                                      27

    C 62                                                                      29

    C 64                                                                      31

    C 65                                                                      33

    C 66a                                                                    36


    Feldgasse

    alte Nummer, Stadtteil C                          neue Nummer

    C 67                                                                      1

    C 85,86                                                                 2,4

    C 68                                                                      3

    C 69                                                                      5

    C 84                                                                      6

    C 70                                                                      7

    C 83                                                                      8

    C 71                                                                      9

    C 82                                                                      10

    C 72                                                                      11

    C 81                                                                      12

    C 73                                                                      13

    C 80                                                                      14

    C 74                                                                      15

    C 79                                                                      16

    C 75                                                                      17

    C 76                                                                      19

    C 77                                                                      21


    Stand 1902

  • September 2022

    Schleizer Viehmärkte

    Schleizer Viehmärkte

    "Greiz, Schleiz, Lobenstein, Gott gibt Regen und Sonnenschein. Woll´n die anderen auch was hab´n, soll´n sie´s ihm selber sag´n." In allen Teilen unseres deutschen Vaterlandes ist dieser Vers, der aus einem alten Gesangbuch stammen und bei Prozessionen gesungen worden sei soll, bekannt, und manchem aus diesen drei Städten Stammenden wird er als Antwort entgegengerufen worden sein, wenn er seine Vaterstadt nannte. Über die Lage dieser Städte kann man fast nie Auskunft erhalten. Nur eine Ausnahme ist mir in Erinnerung von Oldenburg, wo im Gespräch ein Zuhörer tatsächlich Greiz und Schleiz und damit Reuß j. L. und Reuß ä. L. auseinanderhalten konnte. Auf meine erstaunte Frage kam die Antwort: Schleiz ist die Stadt, die die großen Ochsenmärkte und sogar einen Ochsen im Wappen hat. Stimmt das letztere zwar nicht, denn das Wappentier der Stadt Schleiz ist ein Wisent, da sie im ehemaligen, schon 1070 urkundlich erwähnten Wisenta-Land und am Flüsschen Wisent, im Volksmunde Wisenthal, liegt, - so war das erste Wahrheit und bewies, dass die Schleizer Viehmärkte früher im ganzen Reiche bekannt waren. Ja früher, da galten die Viehmärkte noch etwas, da kamen die Landleute stundenweit, ja tagereiseweit mit ihrem prachtvollen oberländischen Rindvieh nach Schleiz, um es hier an den Mann zu bringen oder gegen anderes einzutauschen. Aber nicht nur aus dem reußischen Oberlande, sondern aus den angrenzenden Ländern trieben die Landwirte ihr Rindvieh nach Schleiz, wo an Markttagen das Vieh die Hofer Straße von der Post bis hinauf zur Gabelung der Hofer und Plaunschen Straße, die Feld- und Gartengasse stand, ebenso füllte es zu anderen Märkten die dazu bestimmten Straßen und Plätze. Schon in den frühen Morgenstunden musste der Auftrieb beendet sein, denn der Handel begann. Händler aus Sachsen, der Provinz Sachsen und aus Bayern zogen in ihren langen weißen Mänteln die Tierreihen entlang und kauften ganze Züge von 20-30 u. mehr Stück der schönsten Gangochsen auf. In langen Reihen wurden sie dann, paarweiße zusammengekoppelt, von Treibern oder Schuljungen, die sich gern einige Groschen verdienten, zur Bahn getrieben um dort verladen und in Extrazügen ihrer neuen Heimat zugeführt zu werden. Gegen 10 Uhr vormittags war der Markt bereits zu Ende und der Krammarkt trat in seine Rechte. War das ein Leben und ein Treiben bis zum abendlichen Jahrmarktsball... Ursprünglich fanden Märkte nur einmal im Jahre statt, und zwar an einem hohen, kirchlichen Festtage, die im Mittelalter zugleich Volksfeste waren. Erst später fanden mehrere derartige Märkte statt, und sie wurden dann auch an gewöhnlichen Sonntagen abgehalten, bis der Pietismus (protestantische Bewegung) daran Anstoß nahm, und sie auf Wochentage verlegte…Der wichtigste Markt war früher der Michaelis- oder Wiesenmarkt, der auf der Stadtwiese abgehalten wird und seit 1828 auf zwei Tage festgelegt ist. Nach Gründung der Heinrichstadt wurde der Heinrichsmarkt eigerichtet und 1710 zum ersten Mal abgehalten. Er verdrängte den alten Jakobi- oder Hauptmarkt, der 1712 auf den Mittwoch vor oder nach Bartholomäi gelegt wurde, und daher Batholomäusmarkt heißt. Er war ebenso wie der kalte Markt und er der Ostermarkt ein gern und stark besuchter Viehmarkt. Wie hoch der jährliche Viehtrieb in älterer Zeit war, lässt sich nicht feststellen. Zuverlässige Nachrichten liegen erst seit 1854 vor. Danach betrug von diesem Jahr bis 1863 der Viehzutrieb 93 669 Stück, also im zehnjährigen Durchschnitt jährlich 937 Stück. Infolge des Aufblühens besonders der Zuckerindustrie steigerte sich dann der Verkehr, so dass der dreijährige Durchschnitt bei 5000- 10000 betrug. Wie sich der Zutrieb auf die einzelnen Märkte eines Jahres verteilt, möge das Jahr 1895 zeigen. Es wurden zugetrieben: zum kalten Markt am 23. Januar: 779 Stück, am 13. Februar: 565 Stück, am 5. März: 924 Stück, zum Ostermarkt am 2. April: 968 Stück, am 30. April: 165 Stück, am 27. Mai:625 Stück, zum Heinrichsmarkt am 15 Juli: 2201 Stück, zum Bartolomäusmarkt am 20. August: 941 Stück, zum Wiesenmarkt am 25 September: 1461 Stück. Bei der früheren Bedeutung der Viehmärkte in Schleiz ist es leicht zu verstehen, dass man versuchen will, die Märkte wieder zu beleben, und die Landwirtschaft könnte diese Bestrebungen nur unterstützen, denn die Viehmärkte kommen in erster Linie ihr zugute.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Robert Hänsel

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  • Juni 2022

    Der Theatereinsturz in Schleiz

    Der Theatereinsturz in Schleiz

    Es war der 5. Juni 1842, einem Sonntag, als in Schleiz die Theaterzettel anzeigten, dass heute die bekannte Oper „Zar und Zimmermann“, von der Weißenbornschen Schauspieltruppe gegeben werde. Viele hunderte Einwohner von Schleiz strömten in das nach dem Brande 1837 wiederaufgebaute Reithaus. Nach 7 Uhr abends war das Parterre, alle Logen und die Sperrsitze besetzt, kurz alle Räume fast überfüllt. Der Durchlauchtigste Fürst selbst war zugegen, und die Fürstin Mutter hatte auf der ersten Reihe ihren Platz eingenommen. Wohl 800 Menschen harrten der Ouvertüre entgegen. Kaum war die erste Scene vorüber, ließ sich ein leichtes Rauschen und Knistern hören, dem man im ersten Moment wenig Aufmerksamkeit schenkte. Plötzlich ward es stärker und stärker. Ein Schmerzensruf lenkte die Augen aller an die wellenförmig bewegende Decke des Hauses. Hunderte Kehlen schrien: „Die Decke stürzt ein „. Innerhalb einer Sekunde waren die Menschen unter Chaos von Bretter und Mörtel begraben. Einen Augenblick herrschte Totenstille, das ganze Haus wie eine Leichenkammer. Das war aber das geringste Unglück des schrecklichen Abends gewesen. Die herabfallende Decke, die nur aus Schilf, Gips und der Beleuchtung bestand, hat keinen großen Schaden angerichtet. Jeder aber glaubte das, das Gebälk und das Dach nachstürzen würde und alles zerschmettern werde. Bis jetzt hat der Tod noch kein Opfer verlangt, doch im blinden Schrecken drängte sich die Menge in der Finsternis nach den Ausgängen. Die vordersten Menschen stürzten die Stufen hinab die ins Freie führten, auf diese sprangen und fielen die Nächsten, von der nachschiebenen Masse gedrängt, und über die Zertretenen, Erstickten und Zermalmten schritten andere hinweg, um dasselbe Schicksal zu finden. Das Gefühl das Angst erstickte die Barmherzigkeit und der Trieb zur Selbsterhaltung, riss die Leute vorwärts. An diesem Abend starben 22 Menschen, es gab 25 Schwerverletzte und 144 Verletzte. Jedes Haus in Schleiz fand sich in näherer oder entfernter Beziehung zu einem Verstorbenen, und fast überall sah man Trauerflor. Die Einsturzursache waren zu kurze Nägel für die angebrachten Deckenbretter, nachdem die Reithalle nach dem Stadtbrand 1837 wiederaufgebaut wurde.

    Schleizer Chronik

    Bild: Reithalle, späteres Turnerheim Pahlhornstraße Schleiz

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  • Dezember 2021

    De rute Brück

                                

    „De rute Brück“ von Bernhard Handmann in Alt-Schleizer Mundart

    Se wörd wuhl ä Alter of´n Buckel hamm, wie de öltsten Häuser der Stadt. Viele alte Schläzer senn der Mänung, deß de rute Brück ihr´n Name vun´n Galgen hot, vun dan uhm of d´r Oetterschdorfer Höh nuch de Bäum ze saahn senn, die´n Galgen einrahme taten (wuhl danderwagen, deß de Gehenkten was grüns vor´n Aag´ne hatten). Mar kann sich dar Ahnsicht aa net verschlogen, wenn mar bedenkt, deß die arm Teifel, die aahm gehenkt warn sollten, über de „rute Brück“ geführt warn mußten, wos dodermit ze verdeutschen war, deß´s itze zum Blutgericht ging. Aene annere Lasart sogt wieder, deß de rute Brück ihr´n Name dorch än gewissen Opitz erhalten hot, dar anno 1802 of´n Kreuzwag zwischen dar ruten Brück un´n alten Spittel geköpft worn wur. Seit Menschengedenken warn aa de Tuten über de rute Brück geschafft, um uhm of´n Bark begroom ze warn. Wos in aller Walt des stännerne Gemäuer, des de rute Brück als Gelanner beschützt, ze erzehln imstand wär, wenn´s reden könnt! Wenn äne gruße Leich begroom wur oder äne kläne, alle mußten über de rute Brück wannern. Oft aa mit Musik. Do standen de Musikanten entweder vorne bein „Sand“*, oder uhm unter der alten Ulm bein Gottsackereingang un bließen: Jesus, meine Zuversicht. Wie viel Traane do vergossen, wie viel Harzläd un Betrübnis do über de rute Brück getrogen senn mochten, des is gar net ze beschreim. Mit der Zeit hot sich aa emol die Redensart eingebörgert gehotten: Paß auf, ´s wörd nimmer lang dauern, schaffen se miech über de rute Brück oder, wenn äns schun´n Tud vor Aag´n sah, itze saah iech se, de rute Brück, un in Gott´s Name nune drüwer, nüwer, nauf un …´nein. Ober aa Glück un Fröhlichkät is über de rute Brück gange. Eech kann miech nuch der Zeit erinnern, zu dar Schinkens, die wenn iech net örr, äne Schärfrichterei hatten, drühm an der ruten Brück wuhnten, in än Häusle wugegen itze de Wognersch Fabrik* der räne Palast is. Anno 69 is de Scharfrichterei obgebrannt. De Schinkens Sophie, äne laamslustige Fraa, wie´s weit un breit käne zwäte gab, hot´s Zeug derzu besassen gehotten, de unglücklichsten und lädbelodensten Menschen zum Lachen ze bringe. Als vur vieln Gahrne der Baumanns Miene ihr Mann begroom wur,  dar der Miene immer arg zugesetzt gehotten, un de Leich über de rute Brück gezugen kam, hot de Schinkens Sophie zum Fanster raus geguckt un der Baumanns Miene, die in tiefster trauer hintern Sarg harging, zugerufen: „Miene, Miene … verdammt´s Luder … lach net!“ Un warrlichengott, de Miene hot im größten Schmarz lachen müssen. Wenn de Post vun Neustadt rauf gefahren kam, schmetterte der Postillon of der ruten Brück sei Liedle lustig nein in der Stadt. De Postpfaar wußten, deß nune de Hetz lusging, weil se of dar obschüssigen Schussee vun der Oetterschdorfer Höh runter sich sähr in Acht namme mußten. Ueber de rute Brück ober bis nunter zum Locherschen Hermann machten die Ludersch allemol ihre Mästerleistung un brachten de ganze gunge Walt of de Strümpf. Aa wenn de Post vun Schläz de huche Gaß runter in der Richtung nooch Neustadt fuhr, kame de Postpfaar of der ruten Brück zum ärschten Mal ze Oden, weil vun der ruten Brück ob de schwierigste Arbeit kam, naamlich de stääle Oterrsschdorfer Stroß nauf, wu se när langsam vurwarts kumme kunnten. Des is ver manche Passeschier de Rettung gewasen, wenn´r de Post versäumt gehatten hot un nune mit Koffer un Gepack, wos hoste, wos kannste, bis zer ruten Brück noochspringe mußt. Alle Freitogs Ohmds war bei der Zimmermanns Karrline in Oetterschdorf Tanz. Scharenweis senn mir gungs Volks ohmd nausgange un ham draußen ärscht Kaffee getrunken un Mutzkuchen gassen un noochert getanzt. Of än Leierkasten wurn de neusten Schloger runner hehaspelt, Dar Karrline ihr Mutzkuchen war in ganz Schlätz un Umgebung berühmt un warrlich aa grußartig vun Geschmack. Danderwagen senn aa viele Familien nausgewannert un hamm sich äns gut getahn … Of´n Hämwag tief in der Nacht senn mir gungs Chor mit unnern Schatzlen Arm in Arm über de rute Brück marschiert un derbei gesunge: Sie stampfte mit den Aeugelein und winkte mit dem Fuß, ei du verliebter Schlendrian, daß ich dich lassen muß! Links vun der ruten Brück ging ä ganz schmoler Fußwag dorch´n Wiesengrund nooch d´r städtischen Bodeanstalt, wu dar lange Schauerhammer Bodemäster war. Ae lustig´s Treim war´sch allemol, hauptsachlich, wenns racht häß war un´s Wiesengros prachtvoll dufteen tat, wenn mar boden gange senn. Viel Spaß hatten mar egal mit´n Dietels Franz, dar sich när auszug un a bißle bespritzen tat.“ Eech gieh ärscht ins Wasser, wenn iech schwimme kann!“ hot er allemol gesagt. Oestlich im Winkel des Kreuzwags, vun haushuchen Linden un Börken beschützt, stand´s alte Spittel, wie´s heut noch dort stieht, när, deß itze an dan altertümlichen Bau wos getahn wurn is, De Faster , die unnern Harrn Jesus sie Bild nooch der ruten Brück raus ginge, hotten mit der Stroß äne Linie, su huch lag de Stroß un su tief unten stand´s alte Spittel. De rute Brück hot aa viele kriegerische Zeiten mitgemacht. Haupsachlich in der Franzusenzeit, wu 1806 bis 1815 uner annern aa der gruße Napolion un sei grußfraß´ger Anhang, iech glaab, ´s war anno sachse, über de rute Brück marschierte. Anno 1812, wu de „gruße Armee“ nooch Rußland zug un wie se speter wieder zerissen un zerlumpt, verroten un verkaaft un halbverhungert hämwarts wannerte. Mei Voter hot als Kind oft derbei gestanne, wie de Raster vun dar grußen Armee of der ruten Brück rumlungerten, etliche of´n stannerne Gelanner gesassen oder gelaagen hamm, um auszuruhn oder ihr gebattelt´s Assen ze verschlinge. Wos hat de rute Brück do in dan Gahrne fer Feuer, Schießerei, Plünderei, Mord un Tutschlog gesaahn! De schönnste un unvergleichlichste Zeit ober war doch die, wu dar siegz´ger Krieg ausgebrochen is. Do senn de Schläzer Krieger über de rute Brück nooch Neusadt gezugen, um vun do nunter nooch Gäre* ze fahr´n. Dort senn se in de Regimenter eingetält worn. Der Kapps Gustav, wos ä rän´s Urbild vun än Soldaten war, is äner der ärschten gewasen, die, wie Packesel beloden, über de rute Brück gange senn, um fersch Vaterland ze kämpfen un ihr Laam of´s Spiel ze setzen. De Kinner rennten hinterdrein un de Weibsen heulten und gammerten. De Taschentücher hamm se geschwenkt, nuch, wu de Eingezugene schun uhm bei der Windmühl warn. Ach, mar muß sich när neindenken kenn, ´s war ä grußartiger Aagenblick un ä unvergaßlicher. Als de Oberlandler wieder hämgezugen kame, als umgubelte Sieger, hot de rute Brück ihr´n ruhmvollsten Tog gehotten. Denn dorte sammelte sich halt´s ganze Chor, um noochert mit Tschingterassa bumm bumm in de Stadt neinzeziehn. Alles wos laafen gekunnt hot, natürlich miiet. Su wos harrliches hob iech warrlichengott net wieder erlabbt un heut nuch laafen mar de Traane stroomweis über de Backen runner, wenn iech när dran denk. Ju, ju, über de rute Brück loß iech nischt kumme.

    *Sand= Gastätte Sand in der Geraer Straße 22, *Wognersch Fabrik= Lebenshilfe am Kontursteig, *Gäre= Gera

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  • Oktober 2021

    Hofphotograph Heinrich Körner

    Das Vermächtnis des Hofphotographen Heinrich Körner

    Heinrich Emil Körner wurde am 9. Mai 1864 in der Brunnengasse in Schleiz geboren.

    Am 2. April 1878 begann er eine Lehre als Photograph in der Photographisch Artistischen Anstalt Heinrich Axtmann in Plauen, die er am 1. Mai 1885 mit einem sehr guten Zeugnis beendete. Danach begab er sich auf Wanderschaft. Sein Weg führte ihn nach Waldenburg in Schlesien, in die Photographisch Artistische Anstalt Leisner. Es ist leider nicht belegt, wie lang er dort seine Fähigkeiten verfeinerte. Fest steht jedoch, dass Heinrich Körner am 23. Mai 1896 im Alter von 32 Jahren eine Gewerbeanmeldung als Photograph in Schleiz tätigte.

    Sein neues Domizil in Schleiz wurde die Poststraße 3, nachdem er am 15. Mai 1896 eine Wohnung mit Atelier vom Hofsattler Louis Klickermann, dem Bruder des Landschaftsmalers Wilhelm Klickermann, für 150 Mark jährlich mietete. Am 1. November 1902 ging dieses Haus, durch Kauf, in seinen Besitz über.

    Im Mai desselben Jahres, bekam Heinrich Körner vom Fürstenhaus Reuss den Titel Hofphotograph verliehen. Durch seinen guten Ruf in Schleiz wurde er Mitglied der elitären Bürgererholungs- Gesellschaft. Die kommenden Jahre führte er ein erfolgreiches Geschäft, welches er ca. 1930, an seinen Schwiegersohn Richard Schilling übergab. Der Prozess war schleichend, deswegen ist es nicht genau belegt, wann eine Geschäftsübernahme erfolgte. Schillings Töchter, Christa und Hannelore, erhielten den Familienbetrieb bis zur endgültigen Schließung, aus Altersgründen. Am 13. Februar 1935 verstarb Heinrich Körner im Alter von 70 Jahren in Schleiz. Seinen Titel Hofphotograph behielt er über seinen Tod hinaus, was auch auf dem Grabstein zu lesen ist.

    Sein Lebenswerk umfasst viele tausende Bilder mit einzigartiger Qualität. In der Sammlung, die seines gleichen sucht, wird es kein Bild geben das nicht „gelungen“ ist. Diejenigen Glasplatten, die nicht seiner angestrebten Qualität entsprachen, wurden durch ihn recycelt, die Fotoschicht abgewaschen und wiederverwendet.                                                                                                                               

    Hofphotograph Heinrich Körner und Richard Schilling haben der Stadt Schleiz ein einzigartiges Erbe hinterlassen. Ein solche lückenlose „Dokumentation“ von Familien und Ereignissen einer Stadt und Region, über ein halbes Jahrhundert, findet sich selten. Ansichten von Gebäuden und Landschaften aus längst vergangenen Tagen sind in dieser Sammlung enthalten. Zum Beispiel der Bau der Bleilochtalsperre wird durch über 500 Fotos aus der Bauphase eindrucksvoll dargestellt.

    In diesem Zusammenhang möchte die Stadtverwaltung es nicht versäumen, sich ganz herzlich bei der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena für die Unterstützung bei der Digitalisierung und bei Thüringer Staatskanzlei für die Förderung dieser eigens erstellten Homepage zur Visualisierung der Bilddateien durch die Firma JUSTORANGE aus Jena zu bedanken.

    Ebenso bedanken wir uns außerordentlich bei der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes Berlin (KEK) und dem Freistaat Thüringen für die Förderung bei der Konservierung und archivischen Sicherung der Glasplattennegative.

  • September 2021

    Bedeutung eines Archivs

                                        Warum ist ein Archiv wichtig

    Über die Bedeutsamkeit von Archiven gehen die Meinungen auseinander. Wir möchten gern Marcus Stumpf aus Praktische Archivkunde zitieren. „Für jede Gemeinschaft – vom privaten Lebensraum angefangen über Vereine, Gemeinden, Städte bis hin zur Nation – ist die gemeinsame Erinnerung ein Faktor, der für die Entwicklung des Gemeinschaftsbewusstseins von großer Bedeutung ist. Über einen längeren Zeitraum hinweg ist zuverlässige Erinnerung jedoch nicht allein über das menschliche Gedächtnis und die mündliche Weitergabe von Wissen möglich. Nur schriftliche Aufzeichnungen sind in der Lage, Erinnerungen über Generationen hinweg sicherzustellen. Aufgabe der Archive ist es, die Voraussetzungen dafür durch Aufbewahrung und Erschließung der vorhandenen Zeugnisse zu schaffen. Archive sind zunächst dafür verantwortlich, dass Urkunden und sonstige Schriftstücke, deren rechtliche Beweiskraft in der Gegenwart oder auch in Zukunft noch von Bedeutung sein könnten, sicher aufbewahrt und erhalten werden, damit Verwaltungen und Einzelpersonen darauf zurückgreifen können.“                                                                              Archive sind damit das Gedächtnis der Gesellschaft.                                                Darum gilt es, alle Anstrengungen zu vereinen, dieses Gedächtnis zu erhalten. Jedes einzelne Schriftstück im Archiv ist ein Kulturgut, das in der Regel nur einmal vorhanden ist und seine Vernichtung daher unter Umständen einen unersetzlichen Verlust bedeutet.