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Schleizer Viehmärkte

18.09.2022

Schleizer Viehmärkte

"Greiz, Schleiz, Lobenstein, Gott gibt Regen und Sonnenschein. Woll´n die anderen auch was hab´n, soll´n sie´s ihm selber sag´n." In allen Teilen unseres deutschen Vaterlandes ist dieser Vers, der aus einem alten Gesangbuch stammen und bei Prozessionen gesungen worden sei soll, bekannt, und manchem aus diesen drei Städten Stammenden wird er als Antwort entgegengerufen worden sein, wenn er seine Vaterstadt nannte. Über die Lage dieser Städte kann man fast nie Auskunft erhalten. Nur eine Ausnahme ist mir in Erinnerung von Oldenburg, wo im Gespräch ein Zuhörer tatsächlich Greiz und Schleiz und damit Reuß j. L. und Reuß ä. L. auseinanderhalten konnte. Auf meine erstaunte Frage kam die Antwort: Schleiz ist die Stadt, die die großen Ochsenmärkte und sogar einen Ochsen im Wappen hat. Stimmt das letztere zwar nicht, denn das Wappentier der Stadt Schleiz ist ein Wisent, da sie im ehemaligen, schon 1070 urkundlich erwähnten Wisenta-Land und am Flüsschen Wisent, im Volksmunde Wisenthal, liegt, - so war das erste Wahrheit und bewies, dass die Schleizer Viehmärkte früher im ganzen Reiche bekannt waren. Ja früher, da galten die Viehmärkte noch etwas, da kamen die Landleute stundenweit, ja tagereiseweit mit ihrem prachtvollen oberländischen Rindvieh nach Schleiz, um es hier an den Mann zu bringen oder gegen anderes einzutauschen. Aber nicht nur aus dem reußischen Oberlande, sondern aus den angrenzenden Ländern trieben die Landwirte ihr Rindvieh nach Schleiz, wo an Markttagen das Vieh die Hofer Straße von der Post bis hinauf zur Gabelung der Hofer und Plaunschen Straße, die Feld- und Gartengasse stand, ebenso füllte es zu anderen Märkten die dazu bestimmten Straßen und Plätze. Schon in den frühen Morgenstunden musste der Auftrieb beendet sein, denn der Handel begann. Händler aus Sachsen, der Provinz Sachsen und aus Bayern zogen in ihren langen weißen Mänteln die Tierreihen entlang und kauften ganze Züge von 20-30 u. mehr Stück der schönsten Gangochsen auf. In langen Reihen wurden sie dann, paarweiße zusammengekoppelt, von Treibern oder Schuljungen, die sich gern einige Groschen verdienten, zur Bahn getrieben um dort verladen und in Extrazügen ihrer neuen Heimat zugeführt zu werden. Gegen 10 Uhr vormittags war der Markt bereits zu Ende und der Krammarkt trat in seine Rechte. War das ein Leben und ein Treiben bis zum abendlichen Jahrmarktsball... Ursprünglich fanden Märkte nur einmal im Jahre statt, und zwar an einem hohen, kirchlichen Festtage, die im Mittelalter zugleich Volksfeste waren. Erst später fanden mehrere derartige Märkte statt, und sie wurden dann auch an gewöhnlichen Sonntagen abgehalten, bis der Pietismus (protestantische Bewegung) daran Anstoß nahm, und sie auf Wochentage verlegte…Der wichtigste Markt war früher der Michaelis- oder Wiesenmarkt, der auf der Stadtwiese abgehalten wird und seit 1828 auf zwei Tage festgelegt ist. Nach Gründung der Heinrichstadt wurde der Heinrichsmarkt eigerichtet und 1710 zum ersten Mal abgehalten. Er verdrängte den alten Jakobi- oder Hauptmarkt, der 1712 auf den Mittwoch vor oder nach Bartholomäi gelegt wurde, und daher Batholomäusmarkt heißt. Er war ebenso wie der kalte Markt und er der Ostermarkt ein gern und stark besuchter Viehmarkt. Wie hoch der jährliche Viehtrieb in älterer Zeit war, lässt sich nicht feststellen. Zuverlässige Nachrichten liegen erst seit 1854 vor. Danach betrug von diesem Jahr bis 1863 der Viehzutrieb 93 669 Stück, also im zehnjährigen Durchschnitt jährlich 937 Stück. Infolge des Aufblühens besonders der Zuckerindustrie steigerte sich dann der Verkehr, so dass der dreijährige Durchschnitt bei 5000- 10000 betrug. Wie sich der Zutrieb auf die einzelnen Märkte eines Jahres verteilt, möge das Jahr 1895 zeigen. Es wurden zugetrieben: zum kalten Markt am 23. Januar: 779 Stück, am 13. Februar: 565 Stück, am 5. März: 924 Stück, zum Ostermarkt am 2. April: 968 Stück, am 30. April: 165 Stück, am 27. Mai:625 Stück, zum Heinrichsmarkt am 15 Juli: 2201 Stück, zum Bartolomäusmarkt am 20. August: 941 Stück, zum Wiesenmarkt am 25 September: 1461 Stück. Bei der früheren Bedeutung der Viehmärkte in Schleiz ist es leicht zu verstehen, dass man versuchen will, die Märkte wieder zu beleben, und die Landwirtschaft könnte diese Bestrebungen nur unterstützen, denn die Viehmärkte kommen in erster Linie ihr zugute.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Robert Hänsel

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