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Bomben auf Schleiz

26.03.2022

Bomben auf Schleiz 
Am 8. April 1945 war der schwärzeste Tag der Neuzeit für Schleiz. In diesem Tag wurde die Stadt Opfer des zweiten Weltkrieges. Am Vormittag dieses 1. Sonntag nach Ostern (Quasimodogeniti) schien die Sonne und keiner konnte erahnen, das nur Stunden später alles anders war. Denn an diesen Tag wurde Schleiz auch ein Kriegsschauplatz, wie viele andere Städte. Ein Augenzeugenbericht von Volker Reetz beschreibt die Ereignisse:  „Ein wolkenloser, strahlender Frühlingssonntag gab der Stadt an diesem Tag das Gefühl einer friedlichen Ruhe. Gegen 9 Uhr flog jedoch ohne vorherigen Fliegeralarm ein Verband leichter amerik. Bomber(Mosquitos) in geringer Höhe von Westen her die Stadt an und schwenkte über ihr nach Nordost ein. Kurz darauf war fernes, dumpfes Dröhnen zu hören. Wahrscheinlich war dies der Angriff auf den Bahnhof Triptis. Die Sirenen aber schwiegen. Der auf der „Gans“ an der Bleilochtalsperre stationierte Deutsche Flaksender sprach von „vereinzelter feindlicher Störtätigkeit“. Durch die stillen sonnenüberfluteten Straßen von Schleiz gingen viele Einwohner zum Gottesdienst in die Stadtkirche. Seit 8 Uhr morgens waren 14-bis 16-jährige Hitlerjungen dabei, im Amtsgericht gelagerte Waffen, insbesondere Sturmgewehre, Panzerfäuste, Handgranaten und Kisten mit Infanteriemunition hinauf zur Oberschule zu transportieren. Der „Volksturm“ sollte damit ausgerüstet werden. Kurz vor 10 Uhr heulten plötzlich die Sirenen. „Fliegeralarm!“ Doch wer achtet schon darauf, jetzt, wenige Tage vor Kriegsschluß? In das Heulen hinein flog von Oschitz her eine einzelne „Mosquito“ die Stadt an. Und plötzlich standen über ihr am wolkenlosen Sonnenhimmel vier „Christbäume“, Leuchtbombenketten, die als Ziel-markierungen an Fallschirmen langsam herabsanken. Und da flogen, über den Lohmen kommend, neun „Mosquitos“ in Dreierketten in geringer Höhe über die Stadt. Entsetzt sahen wir die offenen Bombenschächte, aus denen schwarze Gegenstände torkelten. Was dann geschah, konnten wir erst viel später begreifen. Die Luft war erfüllt von irrsinnigen Heulen, Pfeifen und Fauchen, das in ungeheuren Detonationen endete. Staub, Rauch und Qualm verdunkelten den Himmel. Irgendwo schrien Menschen…Die in Flugrichtung linke Dreierkette hatte ihr Ziel dabei in der Oschitzer Straße. Die Gaststätte „Erholung“, die Wisentahalle, der Ostflügel des Wisenta-hauses, das Amtsgericht, das Gefängnis, die Gaststätte „Sonne“ und mehrere Einzelgebäude bis hin zur Schmiedestraße und das Haus „Foto Schilling“ lagen in Trümmern oder waren schwer beschädigt. Wie viele Insassen im Gefängnis waren, ist nicht verstellbar. Am Tag zuvor hatten wir noch an vier Fenstern Gefangene gesehen. Das Gefängnis befand sich unmittelbar an der heutigen Garagenreihe (heute Parkhaus). Mehrere Hitlerjungen befanden sich zu dieser Zeit im Amtsgericht. Sie wurden verschüttet. Angeblich auch andere Menschen, die von der Straße her hier Schutz suchten. Die 18-jährige Tochter des Gefängniswärters Luthardt lag tot im Gefängnisgässchens. Den Verschütteten im Amtsgericht konnte keiner helfen. Die Trümmerberge waren zu hoch, um von Hand etwas ausrichten zu können. überall detonierten noch Zeitzünder bzw. Blindgänger. Durch verschiedene Brandherde explodierten dazu auch die eingelagerte Munition, Panzerfäuste und Handgranaten. Für die verschütteten jungen Männer gab es keine Hilfe. Erst am späten Nachmittag verstummten die Klopfzeichen.“ Der Originaltext aus der Combat Chronologie (Einsätze der US-Airforce 1941-1945) vom Center for Air Force History Washington, DC lautet: "4/8/45 Ninth AF HQ IX TAC moves from Brnhl to Marburg/Lahn. Around 620 A-20’s, A-26’s, and B-26’s bomb Munchenbernsdorf oil storage depot, Sonderhausen comm center, Nienhagen oil refinery, Celle M/Y, and 8 city areas. Ftrs escort 9th Bomb Div, attack A/F, fly patrols and armed rcn, and operate in conjunction with US VIII, XII, and XX Corps in Thuringer Forest and Erfurt areas" Deswegen kann davon ausgegangen werden, dass Schleiz nur ein Ausweichziel war. Hauptziel war das Wifo-Tanklager Münchenbernsdorf. Durch die hohe Trefferquote der ersten Welle war die Sicht so eingeschränkt, dass weitere Wellen kein sicheres Ziel fanden. Nach offiziellen Angaben wurden in Schleiz: 51 Haupt- und Nebengebäude völlig zerstört, 54 Haupt- und Nebengebäude schwer beschädigt, 55 Haupt- und Nebengebäude leicht beschädigt, 200 Dächer und mehr waren darüber hinaus schwer beschädigt. Etwa 800 Menschen verloren ihre Behausung, dazu 2000 Umsiedler waren ohne Obdach. Staatliche Quellen sprechen von ca. 130 Toten, aber viele Zeitzeugen sagten die Anzahl der Opfer sei größer gewesen. Es gibt noch mehr andere Augenzeugenberichte, die aber geschuldet dem Platzmangel, an dieser Stelle nicht veröffentlichen werden können.                               
Gefunden im Stadtarchiv Schleiz im Augenzeugenbericht Volker Reetz und eigener Recherche von Ingo Möckel            

Foto: Amtsgericht Schleiz 1945 fotografiert von Richard Schilling