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De rute Brück

19.12.2021

                            

„De rute Brück“ von Bernhard Handmann in Alt-Schleizer Mundart

Se wörd wuhl ä Alter of´n Buckel hamm, wie de öltsten Häuser der Stadt. Viele alte Schläzer senn der Mänung, deß de rute Brück ihr´n Name vun´n Galgen hot, vun dan uhm of d´r Oetterschdorfer Höh nuch de Bäum ze saahn senn, die´n Galgen einrahme taten (wuhl danderwagen, deß de Gehenkten was grüns vor´n Aag´ne hatten). Mar kann sich dar Ahnsicht aa net verschlogen, wenn mar bedenkt, deß die arm Teifel, die aahm gehenkt warn sollten, über de „rute Brück“ geführt warn mußten, wos dodermit ze verdeutschen war, deß´s itze zum Blutgericht ging. Aene annere Lasart sogt wieder, deß de rute Brück ihr´n Name dorch än gewissen Opitz erhalten hot, dar anno 1802 of´n Kreuzwag zwischen dar ruten Brück un´n alten Spittel geköpft worn wur. Seit Menschengedenken warn aa de Tuten über de rute Brück geschafft, um uhm of´n Bark begroom ze warn. Wos in aller Walt des stännerne Gemäuer, des de rute Brück als Gelanner beschützt, ze erzehln imstand wär, wenn´s reden könnt! Wenn äne gruße Leich begroom wur oder äne kläne, alle mußten über de rute Brück wannern. Oft aa mit Musik. Do standen de Musikanten entweder vorne bein „Sand“*, oder uhm unter der alten Ulm bein Gottsackereingang un bließen: Jesus, meine Zuversicht. Wie viel Traane do vergossen, wie viel Harzläd un Betrübnis do über de rute Brück getrogen senn mochten, des is gar net ze beschreim. Mit der Zeit hot sich aa emol die Redensart eingebörgert gehotten: Paß auf, ´s wörd nimmer lang dauern, schaffen se miech über de rute Brück oder, wenn äns schun´n Tud vor Aag´n sah, itze saah iech se, de rute Brück, un in Gott´s Name nune drüwer, nüwer, nauf un …´nein. Ober aa Glück un Fröhlichkät is über de rute Brück gange. Eech kann miech nuch der Zeit erinnern, zu dar Schinkens, die wenn iech net örr, äne Schärfrichterei hatten, drühm an der ruten Brück wuhnten, in än Häusle wugegen itze de Wognersch Fabrik* der räne Palast is. Anno 69 is de Scharfrichterei obgebrannt. De Schinkens Sophie, äne laamslustige Fraa, wie´s weit un breit käne zwäte gab, hot´s Zeug derzu besassen gehotten, de unglücklichsten und lädbelodensten Menschen zum Lachen ze bringe. Als vur vieln Gahrne der Baumanns Miene ihr Mann begroom wur,  dar der Miene immer arg zugesetzt gehotten, un de Leich über de rute Brück gezugen kam, hot de Schinkens Sophie zum Fanster raus geguckt un der Baumanns Miene, die in tiefster trauer hintern Sarg harging, zugerufen: „Miene, Miene … verdammt´s Luder … lach net!“ Un warrlichengott, de Miene hot im größten Schmarz lachen müssen. Wenn de Post vun Neustadt rauf gefahren kam, schmetterte der Postillon of der ruten Brück sei Liedle lustig nein in der Stadt. De Postpfaar wußten, deß nune de Hetz lusging, weil se of dar obschüssigen Schussee vun der Oetterschdorfer Höh runter sich sähr in Acht namme mußten. Ueber de rute Brück ober bis nunter zum Locherschen Hermann machten die Ludersch allemol ihre Mästerleistung un brachten de ganze gunge Walt of de Strümpf. Aa wenn de Post vun Schläz de huche Gaß runter in der Richtung nooch Neustadt fuhr, kame de Postpfaar of der ruten Brück zum ärschten Mal ze Oden, weil vun der ruten Brück ob de schwierigste Arbeit kam, naamlich de stääle Oterrsschdorfer Stroß nauf, wu se när langsam vurwarts kumme kunnten. Des is ver manche Passeschier de Rettung gewasen, wenn´r de Post versäumt gehatten hot un nune mit Koffer un Gepack, wos hoste, wos kannste, bis zer ruten Brück noochspringe mußt. Alle Freitogs Ohmds war bei der Zimmermanns Karrline in Oetterschdorf Tanz. Scharenweis senn mir gungs Volks ohmd nausgange un ham draußen ärscht Kaffee getrunken un Mutzkuchen gassen un noochert getanzt. Of än Leierkasten wurn de neusten Schloger runner hehaspelt, Dar Karrline ihr Mutzkuchen war in ganz Schlätz un Umgebung berühmt un warrlich aa grußartig vun Geschmack. Danderwagen senn aa viele Familien nausgewannert un hamm sich äns gut getahn … Of´n Hämwag tief in der Nacht senn mir gungs Chor mit unnern Schatzlen Arm in Arm über de rute Brück marschiert un derbei gesunge: Sie stampfte mit den Aeugelein und winkte mit dem Fuß, ei du verliebter Schlendrian, daß ich dich lassen muß! Links vun der ruten Brück ging ä ganz schmoler Fußwag dorch´n Wiesengrund nooch d´r städtischen Bodeanstalt, wu dar lange Schauerhammer Bodemäster war. Ae lustig´s Treim war´sch allemol, hauptsachlich, wenns racht häß war un´s Wiesengros prachtvoll dufteen tat, wenn mar boden gange senn. Viel Spaß hatten mar egal mit´n Dietels Franz, dar sich när auszug un a bißle bespritzen tat.“ Eech gieh ärscht ins Wasser, wenn iech schwimme kann!“ hot er allemol gesagt. Oestlich im Winkel des Kreuzwags, vun haushuchen Linden un Börken beschützt, stand´s alte Spittel, wie´s heut noch dort stieht, när, deß itze an dan altertümlichen Bau wos getahn wurn is, De Faster , die unnern Harrn Jesus sie Bild nooch der ruten Brück raus ginge, hotten mit der Stroß äne Linie, su huch lag de Stroß un su tief unten stand´s alte Spittel. De rute Brück hot aa viele kriegerische Zeiten mitgemacht. Haupsachlich in der Franzusenzeit, wu 1806 bis 1815 uner annern aa der gruße Napolion un sei grußfraß´ger Anhang, iech glaab, ´s war anno sachse, über de rute Brück marschierte. Anno 1812, wu de „gruße Armee“ nooch Rußland zug un wie se speter wieder zerissen un zerlumpt, verroten un verkaaft un halbverhungert hämwarts wannerte. Mei Voter hot als Kind oft derbei gestanne, wie de Raster vun dar grußen Armee of der ruten Brück rumlungerten, etliche of´n stannerne Gelanner gesassen oder gelaagen hamm, um auszuruhn oder ihr gebattelt´s Assen ze verschlinge. Wos hat de rute Brück do in dan Gahrne fer Feuer, Schießerei, Plünderei, Mord un Tutschlog gesaahn! De schönnste un unvergleichlichste Zeit ober war doch die, wu dar siegz´ger Krieg ausgebrochen is. Do senn de Schläzer Krieger über de rute Brück nooch Neusadt gezugen, um vun do nunter nooch Gäre* ze fahr´n. Dort senn se in de Regimenter eingetält worn. Der Kapps Gustav, wos ä rän´s Urbild vun än Soldaten war, is äner der ärschten gewasen, die, wie Packesel beloden, über de rute Brück gange senn, um fersch Vaterland ze kämpfen un ihr Laam of´s Spiel ze setzen. De Kinner rennten hinterdrein un de Weibsen heulten und gammerten. De Taschentücher hamm se geschwenkt, nuch, wu de Eingezugene schun uhm bei der Windmühl warn. Ach, mar muß sich när neindenken kenn, ´s war ä grußartiger Aagenblick un ä unvergaßlicher. Als de Oberlandler wieder hämgezugen kame, als umgubelte Sieger, hot de rute Brück ihr´n ruhmvollsten Tog gehotten. Denn dorte sammelte sich halt´s ganze Chor, um noochert mit Tschingterassa bumm bumm in de Stadt neinzeziehn. Alles wos laafen gekunnt hot, natürlich miiet. Su wos harrliches hob iech warrlichengott net wieder erlabbt un heut nuch laafen mar de Traane stroomweis über de Backen runner, wenn iech när dran denk. Ju, ju, über de rute Brück loß iech nischt kumme.

*Sand= Gastätte Sand in der Geraer Straße 22, *Wognersch Fabrik= Lebenshilfe am Kontursteig, *Gäre= Gera

Foto abrufbar unter:

dana.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/dana_derivate_00000585/Stadtarchiv_Schleiz_0672.tif